Ihr Kriegt Mich Nicht!
Rotz. Er hustete, schniefte und sah mit glänzenden, blutunterlaufenen Augen zu Mik hoch.
»Ich glaube, ich muss sterben«, sagte er.
»Sie sind erkältet«, sagte Mik.
»Erkältet?«, krächzte Bengt. »Das hier ist keine lächerlicheErkältung. Das hier ist die Schwindsucht. Ich komme nicht mehr aus dem Bett hoch. Im Kopf dreht sich alles. Ich erfriere und glühe. Gleichzeitig.«
»Genau. Weil Sie erkältet sind. Lena sagt, Sie haben es sich im kalten Wasser geholt. Sie haben Fieber.«
Bengt starrte an die Decke, dann kniff er fest die Augen zu.
»Verdammter Mist. Kannst du die Fische rausholen? Das muss sein. Die Fische sterben und verrotten und … es muss sein.«
»Allein?«, fragte Mik.
Bengt sah ihn an. Aus seinen Augen strömten Tränen. Aber er weinte nicht. Er war bloß undicht.
»Du weißt, wie es geht.«
»Aber ich hab Lena versprochen, nie allein aufs Eis zu gehen.«
»Du hast das Messer, zeig mir, dass du das Messer hast.«
Bengt richtete sich auf und stützte sich auf die Ellbogen. Mik hob seine Jacke hoch. Das Messer hing am Gürtel. Bengt legte sich wieder hin und zog sich die Decken bis ans Kinn.
Schniefend sagte er: »Hol auch die von Bertil raus.«
»Nein«, sagte Mik.
»Er ist ein verdammter Schwarzangler!«
»Aber er hat Sie gerettet.«
»Stimmt. Verdammt aber auch!«
Das Eis lag blank da, der Schnee war davongeweht worden, und der Tretschlitten glitt leicht und schnell dahin. Unter den Kufen zischte und krachte es, der Fahrtwind stach wie mit tausend Nadeln ins Gesicht. Auf dem Sitz des Tretschlittens stand die Hechtkiste, und in der Kiste lag die große Axt, mit der er die Hechte umbringen sollte. Bengt hatte gesagt, wenn du erst mal die erste Leine findest, dann findest du auch die restlichen, sie liegen hintereinander in nordsüdlicher Richtung vom Kiefernhügelaus. Und Norden, das war die Richtung, wo der Kirchturm zu sehen war. Das war kein Problem, er fand die erste Leine sofort, obwohl der Morgen noch dunkel war. Er hackte das Loch, das über Nacht zugefroren war, mit der Axt auf und hätte sie beinah ins Wasser fallen lassen, als das Loch sich öffnete. Mik befühlte die Leine. Es hing etwas Schweres dran, das plötzlich wie wild zerrte und zog. Die Leine raste am Rand des Lochs entlang und schnitt ins Eis. Er holte sie ein, und ein großer Hecht glitt mit schnappendem Maul aufs Eis. Mik schmiss sich auf den Fisch und schlug ihm die Axt auf den Kopf. Der Hecht starb. Mik legte ihn in die Kiste und fuhr stolz auf das nächste Loch zu. Der Beutefänger kommt durch die Polarnacht gefahren, dachte er. Nein, durch Sibirien, wo er lebensgefährliche Eisdrachen fängt, siebenmal gefährlicher und größer als Nilkrokodile. Mik sah in die Kiste. Der Hecht lag mit offenem Maul und entblößten Fangzähnen da. Ein sibirischer Eisdrache. Lebensgefährlich. Versprüht Schleim, und beim geringsten Treffer auf ungeschützter Haut wird man gelähmt und muss sterben.
An drei Leinen nacheinander hingen Eisdrachen. Zwei waren klein, der dritte riesig, noch viel größer als der Hecht, den er heraufgeholt hatte, als Bengt dabei war. Ihn aufs Eis zu ziehen war nicht allzu schwierig, er hatte nur ein unglaubliches Gewicht. Danach aber kam es zum Kampf. Mik lag auf dem Eis und versuchte, den Fisch ruhigzuhalten, doch der bäumte sich auf und schnappte mit dem Maul wild um sich. Mik schlug auf ihn ein, traf daneben und hieb mit der Axt so heftig aufs Eis, dass seine Hand gefühllos wurde. Er kämpfte und schlug immer wieder zu. Saß rittlings auf dem Drachenrücken und landete ein paar Treffer mitten auf dem Kopf. Das Eis wurde blutig. Der Drache erstarrte, spannte die Flossen aus und erzitterte,als wären ihm zehntausend Volt durch den Leib gefahren. Er schnappte ein letztes Mal mit dem Maul, dann erschlaffte er und starb. Mik erhob sich und stieß mit hoch erhobener Axt einen Jubelschrei aus.
Doch dann wurde er unruhig. Hatte ihn der Schleim getroffen? Die Lähmung würde kommen, dagegen gab es kein Heilmittel. Das war das Grausame am Schleim der Eisdrachen. Irgendwas im Körper ging kaputt, das Gift breitete sich aus. Würde es ihm gelingen, rechtzeitig vom Eis zu kommen? Würde er es noch nach Hause schaffen? Würde er …
Mik beschloss, nicht getroffen worden zu sein, und fuhr weiter, zur nächsten Leine. Die fünfte und die sechste waren leer, doch an den restlichen hingen wieder Eisdrachen. Die Kiste füllte sich, Miks Handschuhe waren voller Drachenschleim, der gefror und
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