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Ihr Kriegt Mich Nicht!

Ihr Kriegt Mich Nicht!

Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
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steif wurde. Seine Hände wurden zu Gipshänden, oder war das schon die Lähmung? Vielleicht waren die Handschuhe nicht dicht? Grausame Welt.
    Auf der anderen Seite sah er Synchron-Bertil mit dem Tretschlitten entlangfahren und seine Leinen einholen. Wie kann man so dusslig sein wie diese beiden Brüder?, dachte Mik. Was könnte ihn und Tony dazu bringen, dreißig Jahre lang nicht mehr miteinander zu reden? Total bescheuert, hier gab’s doch jede Menge Platz und genügend Hechte für alle. Echt verrückt.
    Aber Bengt hatte Mik gesagt, das sei keine Verrücktheit. Das sei Ausdauer.
    Mik machte sich auf den Heimweg, aber aus einem unerklärlichen Grund nahm er nicht den direktesten Weg. Eine magische Kraft zog ihn in eine verbotene Richtung, geradewegs zum Strömungsbrunnen hinaus. Er wusste, was er tat, trotzdem war es nicht sein eigener Wille. Er spürte einen Sog imMagen, und ein Kribbeln stieg an ihm hoch, von den Beinen bis in den Unterleib. Dort draußen lag der schwarze Fleck mit dem offenen Wasser, der ihn zu rufen schien. Ein schwarzes Auge in all dem Weiß. Ein schwarzes Loch mit einer unglaublichen Anziehungskraft. Dort war irgendetwas.
    Die Kufen zischten, das Eis wurde dünn und dunkel. Eingefrorene Luftblasen schwebten wie Planeten in einem schwarzen Kosmos. Hier und da liefen Sprünge wie gefrorene Blitze übers Eis. Er ließ den Tretschlitten stehen und legte das letzte Stück bis zur Öffnung zu Fuß zurück. Unter seinen Schritten schaukelte das Eis, über die offene Wasserfläche zogen zitternde Wellenstöße. Ein schwaches Knacken. Er blieb kurz stehen, horchte. Das Eis jammerte, klagte leise.
    Noch ein Schritt.
    Noch einer.
    Jetzt war er ganz nahe. Das Wasser wirkte ölig, träge. Kleine Wirbel und Strömungslinien glitten über die Oberfläche. Wie Tränen an einem Auge. Ein schwarzes, bodenloses Auge, das ins All hinausstarrte, endlos himmelwärts, endlos abwärts in die Tiefe. Ein Eingang in eine andere Welt. Nach oben, nach unten, nach innen, überallhin.
    Noch ein Schritt.
    Wie nah ist nahe?
    Wie nah heran kann man gehen?
    Noch ein Schritt.
    Die Wellen schaukelten am Rand entlang und nach innen, auf die Mitte zu, dort stießen sie aufeinander und schaukelten wieder nach außen, zurück. Überall durfte er sein, überall im ganzen Dorf, nur hier nicht. Und hier war er nun.
    Warum? Das hatte mit dem kribbelnden Gefühl im Unterleib zu tun. Wie nah heran konnte man gehen?
    Noch ein Schritt.
    Er stand auf dem Rand. Das Eis war sehr dünn, nur ein paar Zentimeter dick. Es war ganz nah. Näher ging nicht. Hier war er allein. Das fand er gut. Konnte man noch einsamer werden als so? Dies war der Rand, hierher würde ihm niemand folgen. Mik glaubte, unten in der Dunkelheit etwas zu sehen. Irgendetwas glitt vorbei. Vielleicht die Strömung, vielleicht Wolken, die über den dunklen Morgenhimmel zogen.
    Nein, dort unten war etwas. Etwa Riesengroßes. Mik zog sich mit gleitenden Schritten zum Tretschlitten zurück.
     
    Bengt lag immer noch im Bett, versteckt unter der Decke. Mik streifte die steifen, schleimigen Handschuhe ab, holte ein Bündel Scheine und Bengts blauen Tablettendosierer aus der Hosentasche und legte alles auf die Kommode.
    »Hier ist das Geld von Lasse und der Dosierer von Lena. Ich hab sie angelogen und behauptet, du wärst auf dem Eis dabei gewesen.«
    »Behalt das Geld«, sagte Bengt unter der Decke.
    »Nein, ich hab Geld. Ich hab einen Job. Pi und ich … wir finden Katzen.«
    »Wie spät ist es?«
    »Halb zehn.«
    »Ich muss aufstehn.«
    Bengt krabbelte unter der Decke hervor, setzte sich schwankend auf die Bettkante.
    »Ich hab den Walfisch gesehen«, sagte Mik. »Im Selet. Im Strömungsbrunnen.«
    Bengt sah ihn mit blutunterlaufenen Fieberaugen an.
    »Dort hast du nichts verloren.«
    »Ich hab doch das Messer. Und ich hab echt einen Wal gesehen.«
    »Das ist unmöglich. Und diese Tabletten da brauch ich nicht.«
    »Warum denn, warum muss alles unmöglich sein? Ich hab ihn gesehen. In Loch Ness gibt’s ein Ungeheuer aus der Urzeit. Dann kann es im Selet doch einen Walfisch geben.«
    Bengt legte sich wieder hin, ächzte und zog sich die Decke bis an die Nase.
    »Die Chance, dass sich im Selet ein Wal befindet, ist verschwindend gering. Ziemlich nah bei null.«
    »Sie glauben mir also«, sagte Mik.
    »Nein, aber ich lass es offen. Eins zu zehn Milliarden, dass es im Selet einen Wal gibt.«
    »Eins zu zehn Milliarden. Aber Sie glauben daran?«
    »Und warum sollte der sich im Selet

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