Ihr Kriegt Mich Nicht!
zu vergewissern, dass kein Tropfen mehr drin war. Er hatte mehrmals gepinkelt, bevor er zum Hundehaus hinunterging. Aber wie sollte er die Futterschüsseln in die Käfige bringen, ohne die Käfigtüren zu öffnen? Und was war, wenn er kacken musste? Würde er sich dann vollkacken? Das durfte nicht passieren. Dann konnte er sich genauso gut gleich auffressen lassen. Mist, er zitterte am ganzen Leib. Die scharfen Zähne klackten laut aneinander. Das Gekläff schmerzte in den Ohren.
Wenn du’s nicht tust, hatte Niklas gesagt, dann schieß ich dir mit dem Luftgewehr ins Auge. Tut mir leid, aus Versehen danebengetroffen. So ein Pech aber auch.
Konnten die tatsächlich zwischen ihm und dem Futter unterscheiden? Was würde wohl von ihm übrig bleiben? Vielleicht ein sauber abgenagtes Knochenstück. Wahrscheinlich nicht mal das. Die Knochenstücke zermalmten sie zwischen den Kiefern, um an das Mark zu kommen. Mark war gesund. Enthielt viele Nährstoffe.
Wem würde es was ausmachen, wenn er starb? Denn das würde er tun, daran bestand kein Zweifel. Er hatte vierzehn Futterschüsseln mit Futter gefüllt. Er musste vierzehn Käfige öffnen. Wie groß war da die Überlebenschance? Ziemlich klein, und das hier war Tag Nummer eins von …? Wie lange musste er hierbleiben? Die Hunde bellten, die Gitter rasselten. Besser, jetzt gleich sterben. Die Hosen vollmachen und sterben. Garantiert fraßen sie die Scheiße auch gleich mit.
Mik öffnete die Käfigtür. Der Hund verstummte und hörte damit auf, sich gegen das Gitter zu werfen. Die Kehle, dachte Mik, ich muss meine Kehle schützen. Doch der Hund stürzte sich nicht auf ihn. Stattdessen rannte er in einem engen Kreis durch den Käfig und winselte, bis die Schüssel auf dem Betonboden stand. Dann verschlang er das Futter, schluckte, ohne zu kauen, und als die Schüssel leer war, legte er sich auf die Pritsche im Käfig. Ganz still, das Kinn auf den Pfoten. Schnell nahm Mik die Schüssel und schloss die Käfigtür.
Der nächste Hund benahm sich genauso und der nächste auch. Sie interessierten sich überhaupt nicht für Mik, nur für das Futter. Einer nach dem anderen verstummte. Erst in Käfig Nummer neun geschah etwas Eigenartiges. Der Hund war etwas kleiner als die anderen und kam nicht auf die Futterschüsselzugerannt, sondern verkroch sich zitternd in einer Ecke des Käfigs. Nummer neun fürchtete sich vor ihm. Er traute sich nicht zu fressen, solange Mik im Käfig war. Schließlich musste Mik den Käfig verlassen und die Tür schließen, damit der Hund sich an die Futterschüssel heranwagte.
Der große alte Jasack bekam als Letzter sein Futter. Er war zottig, hatte ein Fell wie ein welker Dornenbusch. Der riesige Kopf erinnerte an einen Tyrannosaurus mit schlechten Zähnen. Er fraß langsam und furzend und schleckte die Schüssel leer, bis sie glänzte. Seine Beine waren steif, das Hinlegen bereitete ihm große Mühe. Dann furzte er noch einmal. Im Übrigen war es still im Hundehaus.
Mik schaute noch einmal in den Käfig von Nummer neun. Der Hund verkroch sich.
»Ich bin nicht gefährlich. Das musst du doch sein!«
Nummer neun presste sich an die Wand und sah ihn mit gesenktem Kopf an.
»Buh!«, machte Mik.
Nummer neun fuhr zusammen.
»Hab bloß Spaß gemacht.«
Hallo, Tony!
Alles riecht hier nach Hundescheiße. Sieben Tage, aber es kommt mir vor wie sieben Jahre. Es ist Abend, und ich sitze eingesperrt in meinem Zimmer. Ich bin ein Gefangener. Mein Zimmer liegt im Keller und hat eine Waldtapete. Vom Boden bis zur Decke hohe Tannen. Wenn ich morgens aufwache, glaube ich, ich hätte mich im Wald verirrt. Ich bin an einem komischen Ort gelandet. Zum Frühstück gibt es Grütze, du weißt, was ich von Grütze halte. Das hier geht ganz bestimmt indie Hosen. Oder ist es eigentlich schon. Mein Plagebruder heißt Niklas, und wenn er mich nicht gerade plagt oder Vögel abknallt, sitzt er am Computer und klickt Waffenseiten an. Meine Plageschwester heißt Louise und schlägt ihr Pferd mit einer Peitsche. Mein Plagevater heißt Rikard. Er ist immer sauer und denkt sich von früh bis spät Arbeit für mich aus. Ich muss Kieswege harken, Rasen mähen und Hunde füttern. Anfangs hatte ich Angst, dass die Hunde mich töten. Aber die sind voll bescheuert und denken bloß ans Fressen. Die Plagemutter ist immer sauer. Esse ich zu viel, macht sie mich zur Schnecke. Esse ich zu wenig, bin ich verwöhnt und finde das Essen nicht gut genug. Man wird total nervös und weiß
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