Ihr Kriegt Mich Nicht!
nicht, was man tun soll. Wenn niemand es sieht, heult sie. Ich wüsste gern, ob Niklas weiß, warum er Vögel abknallt. Ob Louise weiß, warum sie ihr Pferd schlägt. Ob ihre Mutter weiß, warum sie heult. Es ist doch wichtig, dass man weiß, warum. Man kann doch niemand einen Stein an den Kopf schmeißen, ohne zu wissen, warum. Ich weiß, warum ich hier bin. Ob Papa es wohl weiß?
Ich bin mit einem Nachttopf eingesperrt. Gute Nacht.
Gruß Mik
DER KÖNIG DER HUNDESCHEISSE
Am Frühstückstisch war es still. Mik sah in seinen Grützeteller. Schleimige Klumpen schwammen in der Milch. Er mochte Grütze nicht, hatte sie noch nie gemocht. Wenn er sich die Nase zuhielt, schmeckte sie weniger schlimm. Aber am schlimmstenwar nicht der Geschmack, sondern das schleimige Gefühl, eine Handvoll Kaulquappen zu schlucken. Und dagegen half kein Nasezuhalten. Er würde sich übergeben.
»Was treibst du da eigentlich?«, sagte Rikard. »Iss wie ein normaler Mensch. Jeden Morgen dieses Getue!«
Louise starrte ihn finster an.
»Soll der da lang bei uns wohnen?«
»Wo soll er sonst wohnen?«, sagte Eva.
Niklas brauchte keine Grütze zu essen. Er bekam Cornflakes. Mik hatte auch um Cornflakes gebeten. Aber das ging nicht. Hier galt die Regel, dass man morgens zum Frühstück Hafergrütze aß. Vollkorngrütze, um tüchtig arbeiten zu können. Als er versuchte, eine Erklärung dafür zu bekommen, dass Niklas keine Grütze essen musste, wurde Rikard wütend.
»Was fällt dir ein, alles infrage zu stellen! Du wohnst hier und hast dich nach unseren Regeln zu richten.«
»Ich muss mich aber übergeben«, sagte Mik.
»So was sagt man nicht bei Tisch«, bemerkte Eva.
Niemand glaubte ihm. Aber wenn er jetzt über den ganzen Tisch kotzte, würde er dann Cornflakes kriegen? Vielleicht war das die Regel – wenn man über den Frühstückstisch kotzte, bekam man Cornflakes. Warum nicht, hier gab es so viele unerklärliche Regeln, da war es total unmöglich zu wissen, wann man eine Regel brach. Die Kaulquappen wollten hochkommen. Sie zappelten schon in der Kehle. Mik versuchte, an etwas anderes zu denken. Er dachte an den See unterhalb des Hauses und an das rote Kanu. Und dann kurz an das blaue Kanu. Welches war schöner?
»Darf ich mit dem Kanu paddeln?«, fragte er und schluckte.
»Kannst du schwimmen?«
»Ja.«
»Willst du nach Hause paddeln, oder was?« Louise lachte.
Mik sah ihre Brüste an. Er spürte ein saugendes Gefühl im Magen. Die Kaulquappen schwammen immer schneller, begannen nach oben zu wirbeln. Er hielt den Blick einen Augenblick zu lange auf die Brüste geheftet, ohne es zu wollen. Er schluckte und schluckte.
»Du mieser kleiner Dreckskerl!«, schrie Louise und stand auf. »Er nervt mich.«
Eva sah Mik erstaunt an.
»Was hat er denn getan?«
Mik schluckte. Im Hals brannte es von Säure.
»Er starrt andauernd auf meine Brüste. Der ist ja gestört.«
»Stimmt«, sagte Niklas. »Und darum ist er hier.«
Mik übergab sich in seinen Grützeteller. Sein Magen schleuderte Kaskaden herauf, stoßweise, bis er leer war. Louise schrie auf und rannte vom Tisch weg. Niklas starrte mit aufgerissenen Augen seine Cornflakes an, die auch Hafergrütze abbekommen hatten.
»Herrgott noch mal!«, schrie Eva.
Die ganze Grütze lag wieder auf dem Tisch. Mik strömten die Tränen übers Gesicht. Er hörte auf zu atmen, bekam einen Tunnelblick und landete bewusstlos mit dem Gesicht im Teller. Rikard hob Miks Kopf an den Haaren hoch und hielt ihn so, bis er wieder zu sich kam.
»Kann ich jetzt Cornflakes haben?«
Klar, Hafergrütze ist eklig, dachte Mik, wahrend er zum Hundehaus ging. Auf einer Skala von eins bis zehn gibt’s dafür eine Sechs, vielleicht eine Sieben. Kommt drauf an, womit man es vergleicht. Kotze ist eklig. Blut ist eklig. Der Tod ist nicht eklig. Schlangen sind nicht eklig. Spinnen sind nichteklig. Sachen, vor denen man Angst hat, darf man nicht mit etwas verwechseln, das eklig ist. Wenn man Sachen miteinander verwechselt, weiß man nicht, wer man ist.
In allen Käfigen lag Hundekacke.
Rikard hatte die Hunde zu spät aus dem Hundehaus gelassen. Kacke in allen Käfigen, das war bisher nicht vorgekommen. Das Eklige an Hundekacke war, dass sie so sehr an Menschenkacke erinnerte. Pferdekacke, Elchkacke und Kaninchenkacke, das war etwa ganz anderes, überhaupt nicht so eklig. Die könnte man in der Tasche mit sich herumtragen. Aber Hundekacke, die wollte man lieber nicht in der Tasche haben.
Der Geruch lag
Weitere Kostenlose Bücher