Ihr letzter Tanz
„Sollen wir nach oben gehen, unsere Schuhe holen und uns auf den Heimweg machen? Gordon hat ganz Recht, die Party dürfte damit wohl vorüber sein.“
„Kann mich irgendjemand zu Hause absetzen?“ fragte Marnie dazwischen.
„Klar, ich nehme dich mit“, sagte Doug und sah zu Quinn. „Ich nehme an, du fährst noch ins Krankenhaus?“
„Ja.“
Quinn fiel der ängstliche Gesichtsausdruck seines Bruders auf.
Er hatte viel Zeit mit Jane verbracht, weil sie so angespannt gewesen war.
„Ach, Doug, wäre es nicht besser, wenn du ins Krankenhaus fährst? Ich kann Marnie nach Hause bringen, dann komme ich nach.“
Doug nickte ihm dankbar zu.
„Komm, Marnie, wir fahren.“
Sie folgte ihm, aber auf dem Parkplatz hinter dem Club blieb Quinn für einen Moment stehen und sah sich um. Während beim letzten Mal fast nur graue und beige Wagen dort gestanden hatten, war die Farbpalette diesmal viel bunter. Er vermutete, dass auch einige der Clubgäste ihren Wagen hier abgestellt hatten.
„Glaubst du, das ist echt ’ne Blinddarmentzündung?“ fragte Marnie, nachdem sie losgefahren waren.
„Das haben die Ärzte jedenfalls gesagt“, erwiderte Quinn.
„Warum hat sie dann geschrien, dass sie jemand vergiftet hat?“
„Wahrscheinlich wegen der Schmerzen.“
„Kann so was wirklich so plötzlich losgehen?“
„Ich glaube schon.“
Marnie schwieg eine Minute lang und sah aus dem Fenster. „Daran stirbt man doch nicht, oder?“ Sie seufzte leise und blickte Quinn an. „Ich mag das wirklich. Das Studio ist super, das ganze Tanzen … aber es ist schon ein bisschen gruselig. Gruseliger, als auf der Straße zu schlafen. Komisch.“
„Gruselig? Wie meinst du das?“
Sie schüttelte den Kopf. „Na ja, die Leute, die irgendwie damit zu tun haben … allen möglichen von ihnen passiert ständig irgendwas.“
Quinn hielt vor der Unterkunft an, in der Marnie bleiben musste, bis Annie sie bei der alten Dame einquartieren konnte, der sie zur Hand ging. Marnie sprang aus dem Wagen. „Oh, denk jetzt aber bloß nicht, ich wär’ feige. Und hör auch nicht auf, mich ins Studio zu bringen. Ich möchte tanzen – lieber als alles andere auf der Welt. Und ich bin echt gut, das haben sie schon gesagt.“
„Ich werde schon nicht aufhören, dich hinzufahren“, versicherte er ihr. Es war seine Absicht, Wort zu halten, allerdings war er nicht sicher, warum es ihm so widerstrebte, wenn sie sich ohne ihn im Tanzstudio aufhielt.
Sie lächelte zufrieden. „Rufst du mich an, wenn du weißt, wie es Jane geht?“
„Gern, aber es ist schon spät.“
„Egal. Hier in der Unterkunft sind die ziemlich locker drauf.“
„Ich werde dich anrufen“, versprach er.
Er wartete, bis sie im Haus verschwunden war, dann fuhr er los.
Sogar Marnie wusste, dass im Studio etwas nicht stimmte. Irgendetwas ging dort überhaupt nicht mit rechten Dingen zu.
Als er im Krankenhaus ankam, erfuhr er, dass man Jane bereits in den OP gebracht hatte. Die Diagnose der Longs war richtig gewesen, Jane hatte kurz vor einem Blinddarmdurchbruch gestanden.
Shannon war nicht die Einzige, die sich im Warteraum aufhielt. Gordon saß in einem Sessel, die Hände gefaltet. Sam lief in dem langen Raum hin und her, während Ben so seine Probleme mit dem Kaffeeautomaten hatte. Justin lag ausgestreckt auf einem Sofa, und Rhianna war im Halbschlaf auf ihn gesunken und benutzte ihn als Kopfkissen. Gabriel Lopez war ebenfalls mitgekommen, außerdem Katarina, allerdings ohne ihren Mann. Die beiden saßen auf einem Sofa und dösten offensichtlich, schienen aber entschlossen, so wie die anderen darauf zu warten, wie Jane die Operation überstand.
Quinn setzte sich zu Gordon.
„Das ging aber schnell“, sagte er.
„Sie war in wirklich schlechter Verfassung“, erwiderte Gordon. „Zum Glück war nur jemand mit einem gebrochenen Zeh vor uns, als wir ankamen. Die Leute hier wissen wirklich, worauf es ankommt. Und die Jungs aus dem Krankenwagen waren ebenfalls großartig. Shannon sagt, das Krankenhaus war ganz genau informiert, als der Wagen vorfuhr. Der Chirurg stand schon bereit. Er meinte, wir hätten alles richtig gemacht. Nur wird Jane für eine Weile aus dem Rennen sein. Für ein paar Wochen, aber das ist nicht so wild.“
„Wo ist mein Bruder?“ wollte Quinn wissen.
„Den Gang entlang, direkt vor dem OP“, antwortete Gordon und sah Quinn so an, als könne er in dessen Gesicht genau das lesen, was er wissen wollte. Dann aber zuckte er mit den Schultern.
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