Ihr letzter Tanz

Vielleicht wollte er es auch gar nicht erfahren. „Er kam mir sehr besorgt vor.“
    „Ja, genau, besorgt“, murmelte Ben und schlug mit der Faust gegen den Automaten. „Wann funktionieren diese verdammten Dinger eigentlich mal?“ Dann sah er die anderen an. „Es ist nur der Blinddarm. Eine ernste Sache. Aber in diesem Laden kann man froh sein, wenn es weiter nichts ist.“
    Im Warteraum breitete sich Schweigen aus, das nicht nur von Übermüdung und Sorge herrührte.
    „Ich glaube, wir sollten die Gator Gala absagen“, erklärte Shannon nach einer Weile.
    „Was?“ rief Rhianna aus und setzte sich abrupt aufrecht hin.
    „Es ist zu viel passiert“, fuhr Shannon fort. „Lara ist tot … da war diese ermordete Frau am Strand, so dicht beim Studio …“
    „Traurig“, entgegnete Justin. „Man hat in Miami immer wieder Leichen gefunden, nicht erst seit kurzem. Hast du eine Vorstellung davon, wie viele Tote aus dem Wasser gefischt worden sind, von denen wir überhaupt nichts erfahren haben? Außerdem hat doch keiner von uns diese Frau gekannt. Shannon, wir können nicht auch noch um jede unbekannte Tote trauern.“
    „Wir kannten aber Lara. Und davor wurde Nell getötet“, wandte Shannon ein.
    „Nell wurde von ihrem Mann umgebracht“, gab Sam zurück.
    „Die Gator Gala können wir jetzt nicht mehr absagen“, sagte Gordon. „Wir haben schon zu viel Geld investiert.“
    Shannon sah sie der Reihe nach an. „Ich habe Angst, dass noch etwas passiert. Seien wir mal ehrlich: Haben wir davor nicht alle Angst?“
    Quinn schwieg und beobachtete die Reaktionen der anderen. Bevor aber einer von ihnen antworten konnte, ging die Tür zum Warteraum auf, Richard und Mina Long kamen herein.
    „Ich dachte, Sie beide wären längst nach Hause gegangen“, bemerkte Ben.
    „Das wollten wir auch“, sagte Mina. „Aber dann wurde uns klar, dass wir keinen Schlaf finden werden, solange wir nicht wissen, wie es Jane geht.“
    „Sie wird in diesem Augenblick operiert“, entgegnete Gordon.
    „Ja, das haben wir gehört.“
    „Ihre Diagnose war zutreffend.“
    „Das ist der Beweis“, meinte Richard in lockerem Tonfall. „Ich habe wirklich Medizin studiert.“ Er machte eine Pause, als erwarte er Gelächter, doch niemand verzog eine Miene. „Nun ja, auf jeden Fall wird es ihr gut gehen“, fuhr er fort. „Das Ganze hat sich unter den denkbar besten Umständen abgespielt: Sie war nicht allein, und sie wurde sofort medizinisch versorgt. Wäre sie allein gewesen, und hätte man nicht sofort einen Krankenwagen rufen können, dann … tja, das hätte böse enden können.“
    „Und wie vertreiben Sie sich die Wartezeit?“ wechselte Mina das Thema.
    „Shannon will die Gator Gala absagen“, erwiderte Justin.
    „Nein!“ rief Richard ungläubig aus und setzte sich, während er Shannon einen ernsten Blick zuwarf. „Bis dahin sind es noch fast drei Monate. Jane wird da längst wieder in Bestform sein.“
    Gabriel Lopez ging zu Shannon und legte einen Arm um ihre Schultern. „
Chiquita
, es wird alles gut werden. Krankenhäuser arbeiten heutzutage so gut, dass Jane morgen Nachmittag schon wieder entlassen werden kann.“
    „Das will ich aber im Interesse der Patientin nicht hoffen“, wandte Mina ein.
    „Okay, okay, ich habe übertrieben“, sagte er und zwinkerte ihr zu.
    „Jane betreut eine ganze Reihe von Schülern, und sie wird eine Weile ausfallen“, betonte Shannon. „Hatte sie nicht auch etwas mit dir geplant, Ben? Ihr Terminplan ist randvoll, wie soll sie das alles machen?“
    Ben ging zu ihr. „
Du
könntest ja mit mir tanzen. Du weißt, ich bin gut.“
    „Natürlich weiß ich, dass du gut bist, Ben. Aber darum geht es nicht.“
    „Mit Jane kommt wieder alles in Ordnung, und ihre Blinddarmentzündung hat keine mysteriösen Ursachen, die uns misstrauisch machen könnten. Wir können für sie einspringen.“
    „Ben, selbst wenn ich mit dir tanzen würde, fehlt uns immer noch ein Lehrer.“
    „Ich wüsste da was“, mischte sich Sam ein. „Marnie. Sie ist das größte Naturtalent, das ich jemals erlebt habe. Shannon, ich meine das wirklich so: Ich kann in ein paar Wochen eine Lehrerin aus ihr machen.“
    „Sam, überleg doch mal, wie schwierig es ist, alle eigenen Schritte zu lernen. Um als Lehrerin anerkannt zu werden, muss sie aber nicht nur die, sondern auch noch alle Schritte ihres Partners kennen. Das kann sie nicht in so kurzer Zeit schaffen“, widersprach Shannon ihm.
    Justin schüttelte den Kopf.