Ihr letzter Tanz
Regeln vorschreiben, von wegen Lehrer und Schüler und so.“
„Ich mache mir einen Tee“, erklärte Shannon abrupt. „Möchtest du auch einen?“
„Du meinst … einen
heißen
Tee?“
„Ja. Wir haben fünfundvierzig Minuten Pause. Alle Lehrer legen ihre Pausen so, dass sie sie zwischen zwei Unterrichtsstunden nehmen können.“
„Ich weiß, ich weiß, das habe ich schon gehört.“
Shannon setzte das Wasser auf, während Marnie durch den Flur in Richtung Studio ging.
„Wow“, hörte Shannon sie ausrufen.
„Ja, mir gefällt es auch“, sagte Shannon, als sie zu ihr in die Küche zurückkam.
„Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist eine Alarmanlage“, erklärte Marnie.
„Der Nachbar hat einen Hund.“
„Quinn hat gesagt, er will dir eine Alarmanlage einbauen lassen. Ich glaube, er wollte das für heute organisieren. Aber gestern Abend nach der Sache mit Jane hat er’s wohl vergessen.“ Sie lächelte Shannon an. „Dann wird er wohl heute Abend herkommen und sich darum kümmern.“
„Warum sollte er?“ Sie setzte sich auf einen der Hocker an der Theke zwischen Küche und zweitem Wohnzimmer.
„Na, weil nachts dieser Wagen hier vorbeifährt. Schätze, er hat dir nichts davon gesagt. Er will wohl nicht, dass du dich aufregst. Und wahrscheinlich steckt ja auch gar nichts dahinter.“
Das Wasser kochte, der heiße Dampf stieg Shannon ins Gesicht. Trotzdem hatte sie das Gefühl, eine eiskalte Hand habe sich auf ihre Schulter gelegt.
Das
Suede
war noch nicht geöffnet, als Quinn eintraf, doch der Türsteher erkannte ihn wieder und ließ ihn herein. Er erklärte ihm sogar, wo er Gabe finden würde.
Quinn setzte sich an die Bar, trank ein Wasser und wartete geduldig.
„Sieh an, der neue Schüler! Wie ich höre, könnten Sie eines Tages Ihrem Bruder Konkurrenz machen“, rief Lopez, als er ihn entdeckte, und ließ sich auf einen Barhocker neben Quinn fallen. „Kann ich Ihnen etwas zu dem Wasser bringen? Wir haben keine richtige Speisekarte, aber ein Snack ist immer drin.“
„Nein, danke. Ich hatte vielmehr gehofft, Sie könnten mir vielleicht helfen.“
„Gern. Was kann ich denn für Sie tun?“
Er zog das Bild von Sonya Marquez Miller aus der Tasche. „Mich würde interessieren, ob diese Frau jemals bei Ihnen im Club war.“
Gabriel Lopez schüttelte bedauernd den Kopf. „Die Polizei war hier, kurz nachdem man sie am Strand gefunden hatte. Ich habe alle meine Aushilfen einen Blick auf das Bild werfen lassen, aber niemand erkannte sie. Ich habe sie auch noch nie gesehen. Weiß man schon, was mit ihr passiert ist?“
„Eine gewaltige Überdosis.“
„Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen.“ Lopez zögerte. „Aber an den Wochenenden geht es hier verdammt wild zu. In Miami hat jede Mafia, die Sie sich vorstellen können, einen Außenposten – die russische, die italienische und die kubanische. Und nicht zu vergessen die Kolumbianer. Irgendwer hat vor kurzem sogar behauptet, Drogenbarone von Haiti trieben sich hier rum. Nennen Sie mir ein Land aus Mittel- oder Südamerika, und ich zeige Ihnen die dazugehörigen kriminellen Elemente, die sich hier aufhalten. An Freitagen und Samstagen tummeln sich hier im Club alle Nationalitäten, und die meisten sind anständige Leute, die nur ein wenig Spaß haben wollen. Sie können mir glauben, dass es eine ganze Menge leitender Angestellter gibt, die die Woche über völlig brav und solide sind, am Wochenende jedoch mit Drogen den Kick suchen, der ihnen fehlt. Wissen Sie, ich bin wirklich stolz darauf, dass wir den Club von Drogen völlig freihalten konnten. Die Barkeeper und die Kellner achten darauf, dass niemand zu viel trinkt. Wir kennen da kein Pardon. Wer sein Limit erreicht hat, bekommt keinen Tropfen Alkohol mehr. Außerdem sind wir als der unnachgiebigste Club des Viertels bekannt, weil wir uns den Ausweis zeigen lassen, sobald wir einen Verdacht haben.“
„Ja, ich hörte davon. Ich hatte bloß gehofft, Sie hätten sie vielleicht irgendwann mal hier gesehen.“
„Das hätte ich den Cops auch schon gesagt. Wie sieht’s aus? Kommen Sie heute Abend zum Gruppenunterricht?“
„Heute Abend kann ich leider nicht.“
„Okay, aber verlernen Sie das Tanzen nicht. Und kommen Sie bei Gelegenheit gern wieder her.“
„Danke.“ Quinn stand auf.
„Ach, sagen Sie, machen Sie das für Ihren Bruder?“ fragte Lopez. „Ich wusste gar nicht, dass Sie auch ein Cop sind.“
„Bin ich auch nicht“, gab Quinn zurück.
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