Ihr letzter Tanz
habe die Tür von außen verriegelt“, erwiderte er. „Damit habe ich dich ungewollt eingeschlossen.“
Sie musste sich das alles eingebildet haben. Es war dunkel geworden, sie war in Panik geraten. Wäre jemand mit ihr im Zimmer gewesen, dann hätte Gordon das beim Hereinkommen gesehen.
Er seufzte. „Kannst du aufstehen?“
„Natürlich.“ Sie stand auf, auch wenn sie ein wenig wackelig auf den Beinen war.
„Komm, lass dir helfen“, sagte er. „Wir streichen auf jeden Fall alle Unterrichtsstunden, die heute für dich eingetragen sind.“
„Nein“, widersprach sie ihm, woraufhin er sie ernst ansah.
„Wahrscheinlich hast du dir eine dicke Beule eingehandelt.“
Vorsichtig tastete sie ihren Kopf ab, fand jedoch nur eine relativ kleine Beule.
„Mir geht’s gut, Gordon.“
„Du solltest …“
„Gordon, ich schwöre dir, es geht mir gut. Wenn ich heute das Gefühl bekommen sollte, dass etwas nicht stimmt, lasse ich es dich sofort wissen. Ich fahre jetzt weder ins Krankenhaus noch nach Hause. Und ich werde meine Stunden ganz bestimmt nicht absagen.“
„Aber …“
„Ich meine das ernst, Gordon. Und bitte zu niemandem ein Wort, okay?“
„Ja, aber …“
„Ich bitte dich darum. Wenn ich aus irgendeinem Grund ausfalle, gibt es nur noch mehr Gerede. Am Ende müssen wir die Gator Gala absagen.“
Das gab ihm zu denken, und er seufzte.
„Gordon, bitte. Kein Wort. Zu niemandem. Und sobald ich auch nur den Hauch von Kopfschmerzen spüre, sage ich dir Bescheid.“
„Einverstanden“, sagte er schließlich.
Sie gingen gemeinsam nach draußen, wo Ben gerade vor der Hintertür des Studios stand. „Was ist denn hier los?“
„Was denn?“ fragte Shannon schuldbewusst.
„Alle Türen stehen offen, die Musik läuft auf vollen Touren … und kein Mensch da.“
„Ich …“ Sie sah kurz zu Gordon. „Ich habe mir nur ein paar meiner alten Kostüme im Lagerraum angesehen.“
Ben hob lächelnd die Augenbrauen. „Dann spielst du ernsthaft mit dem Gedanken, wieder mitzumischen?“
„Ja.“
„Mit mir?“
„Ja, Ben.“
„Danke“, sagte er. Sie hatte ihn noch nie so demütig erlebt wie in diesem Moment.
Er ging zurück ins Studio, sie und Gordon folgten ihm. Shannon hatte das Gefühl, dass es wieder ein langer Tag werden würde.
21. KAPITEL
D er ganze Tag war wie verhext.
Vielleicht war es aber auch nur eine Folge des Schlags auf ihren Kopf, ganz gleich, wie sie ihn nun wirklich abbekommen hatte. An Freitagen war üblicherweise wenig los, doch heute schien das Studio aus allen Nähten zu platzen.
Sie widmete sich eine Zeit lang Marnie, die Ben bei ihr zu Hause abgeholt hatte, und befasste sich mit einigen Schülern. Richard war schlecht gelaunt, weil er unbedingt mehr Heber lernen wollte, sie aber daran zweifelte, ob er das wirklich konnte.
Am Nachmittag kam dann Billy zu ihr, ein Schüler, der fest von ihr unterrichtet wurde und an Gehirnlähmung litt. Er gab sich große Mühe, war aber regelmäßig frustriert, wenn ihm etwas nicht gelingen wollte. Dennoch hatte sie großen Respekt vor ihm, da er es immer wieder versuchte, während andere längst aufgegeben hätten. Mit ihm beschäftigte sie sich immer sehr intensiv, da sie wusste, wie gut es für ihn war, wenn er sich viel bewegte.
Und dann war da noch Quinn.
Beim Walzer war er voller Entschlusskraft, und er war gut, da er jeden Schritt so machte, wie es sein sollte. Sie fragte sich, wie es möglich war, dass er den Walzer beherrschte, beim Foxtrott aber so kläglich versagte. Normalerweise lagen einem Schüler entweder die langsamen Tänze, während er die schnelleren nicht in den Griff bekam – oder umgekehrt. Aber sie war noch nie jemandem begegnet, der sich im Walzer mit den Besten messen konnte, beim Foxtrott jedoch über seine eigenen Füße stolperte. Selbst Tangoschritte schienen ihm mehr im Blut zu liegen als der Foxtrott.
Eine Weile übten sie, während auf der einen Seite Rhianna und ein Schüler, auf der anderen Seite Justin und Mina Long tanzten. Erst nachdem sie sich in eine stille Ecke zurückgezogen hatten, um Rhythmen zu trainieren, fragte er: „Keine Probleme mit der Alarmanlage?“
„Alles bestens“, erwiderte sie und fügte nach kurzem Zögern steif an: „Vielen Dank.“
„Gern geschehen. Danke, dass ich übernachten durfte.“
„Kein Problem.“
Sie verspürte den Wunsch, ihm von dem Zwischenfall im Vorratsraum zu erzählen. Doch je mehr Zeit verstrich, umso überzeugter war sie, dass ihre
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