Ihr letzter Tanz
war ihr nicht klar.
„Gehen Sie nicht wieder rein?“ fragte er schließlich.
Sie sah ihn lange an, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich glaube nicht. Ich bin schon früh mit Gordon und Ben hiergewesen, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist.“
„Sicher. Und dazu kommt ja noch die Belastung durch die morgige Beerdigung.“
Wieder konnte sie nicht entscheiden, wie sie den Unterton seiner Worte deuten sollte. Fand er, das Ganze war zum größten Teil nur Show – für Lara und vielleicht auch für alle anderen?
„Kann ich Sie nach Hause fahren?“
Einen Augenblick lang zögerte sie. Andererseits war das ein Vorschlag, der genau zur richtigen Zeit kam. Sie war mit Gordon und Ben hergekommen, und die beiden würden bis zum Schluss bleiben.
„Keine Sorge, ich werde schon nicht versuchen, eine Privatstunde herauszuholen“, sagte er sichtlich amüsiert. „Lassen Sie mir nur ein paar Minuten, damit ich auch kurz reingehen kann.“
„Das ist nicht nötig“, wandte sie ein.
„Oh, mir macht das nichts aus.“
Sie hob den Kopf ein wenig an. „Doug ist schon drinnen, und Sie haben Lara nie kennen gelernt. Also … was wollen Sie dort?“
Er verzog den Mund zu einem flüchtigen Lächeln. „Ich möchte natürlich sehen – und vielleicht auch gesehen werden. Warten Sie, ich bin gleich zurück.“
Sie sah ihm nach, wie er zur Tür des Instituts ging, und wünschte sich, sie würde trotz des Misstrauens, das sie für ihn empfand, nicht so sehr die Art bewundern, wie seine breite Schultern die schlanke Silhouette seines Anzugs betonten. Genauso wünschte sie sich, den dezenten, verheißungsvollen Duft seines Aftershaves nicht wahrzunehmen, der noch immer in der Luft hing, als er bereits in der Menge verschwunden war.
Lara war tot, und schon bald würde sie beerdigt werden.
Shannon konnte nicht anders, als sich einzugestehen, dass sie vor etwas Angst hatte. Vor etwas, das sie noch nicht greifen konnte.
Und Quinn O’Casey?
Dieser Mann war hinter irgendetwas her – doch hinter was nur? Sie war sich einfach nicht sicher.
7. KAPITEL
D oug kniete vor dem Sarg, und Quinn entschied, ihn für den Augenblick in Ruhe zu lassen. Er ging ein Stück weit den Mittelgang entlang, dann stellte er sich an die Seite und wartete.
Überall standen oder saßen Trauergäste, Gesprächsfetzen drangen an Quinns Ohr. Eine Gruppe unterhielt sich über das Wetter, und jemand warf ein, es sei ein Geniestreich des
Moonlight Sonata
, die Gator Gala für den Februar zu planen, also mitten im Winter, wenn sich jeder darum riss, nach Florida reisen zu können.
Zwei andere Gäste sprachen über Techniken und stellten Vergleiche zwischen ihren jeweiligen Schritten an. Quinn war sicher, dass die meisten Anwesenden auf die eine oder andere Weise mit der Welt des Tanzens zu tun hatten.
Doug kniete noch immer vor dem Sarg.
Gordon Henson entdeckte Quinn und hob kurz die Hand, um ihn zu grüßen. Unterdessen begab sich Jane zu Doug und kniete neben ihm nieder.
Ben Trudeau stand beim Sarg, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wirkte wie ein Wächter, der die sterblichen Überreste Laras hütete.
Quinn machte ein paar Schritte nach vorn, wartete und lauschte wieder den Gesprächen um ihn herum. Endlich standen Doug und Jane auf, und er konnte vor den Sarg treten. Die Frau war zweifellos eine Schönheit gewesen. Nun waren ihre Haare gestylt, sie war geschminkt und trug ein himmelblaues, mit Perlen besetztes Ballkleid. In ihren gefalteten Händen hielt sie eine Blume. Tatsächlich sah sie aus wie ein modernes Dornröschen, das darauf wartete, wachgeküsst zu werden. Bloß würde das niemals geschehen. Die verräterische Autopsienarbe war selbstverständlich nicht zu sehen, so dass Lara Trudeaus Anmut und Eleganz für die Ewigkeit eingefangen schienen.
Er hatte das Band gesehen, er hatte sie tanzen sehen, als schwebe sie über den Wolken. Und er hatte sie sterben sehen.
Als Quinn noch klein gewesen war, hatte er jeden Sonntag den Gottesdienst besucht. Selbst heute ging er von Zeit zu Zeit noch mit Doug und seiner Mom in die Kirche. Es war wie ein Reflex, dass er sich beim Anblick der Toten bekreuzigte und den Kopf senkte.
Während er dastand, horchte er wieder auf seine Umgebung.
Jemand stand bei Ben Trudeau neben der riesigen Blumenschale am Kopfende des Sargs. Er erkannte die Stimme wieder – sie gehörte Gabriel Lopez, dem Besitzer des
Suede
.
„Alles in Ordnung, Ben?“ Lopez klang so besorgt wie ein wahrer
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