Ihr letzter Tanz
erweisen.
Im Vorraum bahnte sie sich ihren Weg zwischen den Trauergästen hindurch, unter denen sich fast ausschließlich Tänzer befanden. Sie sah eine der Salsa-Preisträgerinnen aus dem Vorjahr, eine hübsche, zierliche Frau mit einem Körper, der jede vor Neid erblassen ließ. Sie trug ein schwarzes Kleid, das sich eng an jede Rundung ihres Körpers schmiegte, und sie war mit einem Vertreter des Nationalen Tanzverbandes in ein Gespräch vertieft.
Katarina befand sich ebenfalls im Vorraum, sie sah in einem dunkelblauen Anzug sehr dezent aus. Der traurige Anlass schien sie sehr zu bewegen. Bevor Shannon sie jedoch ansprechen konnte, stellte sich eine andere Frau zu ihr und fragte laut und deutlich, ob sie denn am nächsten Tag zur Anprobe kommen könne. Als Katarina erklärte, sie werde zu Laras Beerdigung gehen und deshalb ihr Atelier nicht aufmachen, beharrte die Frau darauf, am Montag vorbeizukommen.
Shannon winkte Katarina kurz zu, dann ging sie nach draußen.
Das Beerdigungsinstitut, das Gordon ausgesucht hatte, lag mitten im Zentrum von Miami. Damit Lara auf Woodlawn, einem der ältesten Friedhöfe der Stadt, beigesetzt werden konnte, hatte er tief in die Tasche gegriffen. Es war eine schöne letzte Ruhestätte, die durch den großen Respekt nur noch umso schöner wurde, den die Latino-Gemeinde ihren Toten zollte.
Auf der Straße vor dem Institut herrschte reger Verkehr. Jemand hupte, ein Fahrer schrie aus dem geöffneten Seitenfenster einen anderen an, der nicht schnell genug fuhr. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gab es einen Supermarkt, vor dem mehrere Jugendliche auf der Motorhaube eines alten, restaurierten Chevy saßen und sich laut unterhielten und lachten.
Die Luft war nicht so angenehm, wie Shannon es erwartet hatte – Autoabgase schlugen ihr entgegen. Doch das war immer noch angenehmer als der erstickende Duft, der von den Blumen ausging. Und es war besser als die geheuchelte Trauer, die drinnen vorherrschte.
Einzelne Trauergäste machten sich bereits wieder auf den Weg und grüßten Shannon, während sie zum Parkplatz gingen. Einige von ihnen waren ihr bekannt, bei anderen hatte sie keine Ahnung, um wen es sich handeln mochte. Trotzdem erwiderte sie jeden Gruß.
Dann sah sie auf einmal zwei Männer, die auf dem Weg in das Institut waren: die O’Casey-Brüder.
Doug sah sie und kam sofort zu ihr, nahm sie in die Arme und küsste sie auf die Wange. Er machte einen zutiefst betroffenen Eindruck. Sein sonst so ordentlich gekämmtes Haar war über der Stirn so zerzaust, als wäre er immer wieder mit den Fingern durchgefahren. Seine Miene war angespannt.
„Das ist es also, wie?“ brachte er mit rauer Stimme heraus. „Das macht es unwiderruflich.“
Sie nickte, strich sanft über seine Wange und fühlte sich erleichtert. Jetzt war endlich jemand hier, dem Lara Trudeau etwas bedeutet hatte, selbst wenn er nur ihr Schüler und Freund gewesen war. Stimmte allerdings, was Jane sagte, dann dürfte sie ihm sogar noch viel mehr bedeutet haben.
„Es
ist
unwiderruflich, Doug. Ganz und gar unwiderruflich.“
Er schluckte schwer. „Wie … wie sieht sie aus?“ fragte er.
„Es hört sich abgedroschen an, aber es stimmt. Sie sieht hübsch aus … als würde sie schlafen.“
Er ließ den Kopf sinken. „Ich gehe jetzt rein.“
Während Doug zum Eingang ging, blieb Quinn neben ihr stehen. In seinem dunklen Anzug sah er blendend aus, wie er dastand und sie betrachtete. Die Schatten, die die Häuser warfen, ließen seine Augen fast schwarz wirken. Sein Blick hatte etwas nahezu Vorwurfsvolles, als würden seine Augen mehr sehen, als sie sollten.
Shannon verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderte seinen durchdringenden Blick. „Es wundert mich, Sie hier zu sehen. Sie kannten Lara doch gar nicht, oder? Sahen Sie sie jemals tanzen?“
„Ich begleite meinen Bruder“, erwiderte er.
„Ah, ich verstehe.“
„Wirklich?“ fragte er, dann sah er zur Tür. „Bemerkenswert, wie viele Leute zu dieser Totenwache gekommen sind, nicht wahr? Ich frage mich, wie viele von ihnen hier sind, weil Lara ihnen etwas bedeutete, und wie viele gekommen sind, um zu sehen und gesehen zu werden.“
„Wenn jemand bekannt war, dann kommen viele Menschen“, entgegnete Shannon. „Gordon hat das hier nicht einem engen Kreis vorbehalten. Jeder, der Lara sehen und sich von ihr verabschieden will, soll die Gelegenheit dazu bekommen.“
„Sehr edel“, murmelte Quinn, aber ob er das wirklich so meinte,
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