Ihr letzter Tanz
als jemand die Flucht antrat.
Im nächsten Augenblick stürmte Quinn aus dem Haus und nahm die Verfolgung auf.
12. KAPITEL
G ordon Henson liebte Sonntagnachmittage.
Es war nicht so, dass er die Woche über im Studio rund um die Uhr eingespannt war. Mit Shannon hatte er genau die richtige Frau gefunden, der er die Leitung der Tanzschule übertragen konnte. Eigentlich hätte er schon längst in den Ruhestand gehen können, doch ihm war bewusst geworden, dass er das nicht wollte. In den letzten Jahren hatte er zwar begonnen, gutes Geld zu verdienen, dennoch war für ihn ein Leben ohne das Studio undenkbar.
So undenkbar wie die Vorstellung, plötzlich nicht mehr vom Tanzen begeistert zu sein. Er selbst gab keinen Unterricht mehr, aber er besuchte die Partys und verbrachte nach wie vor viel Zeit im Studio. Es war ein angenehmes Leben. Einmal war er verheiratet gewesen, doch nach seiner Scheidung hatte er nie wieder den Wunsch nach einer festen Beziehung verspürt. Stattdessen genoss er das Leben am Strand und in den Clubs ringsum, wo alles möglich war. So viele Menschen waren dort, so viele verschiedene Typen, Nationalitäten, Hautfarben, ja, sogar die unterschiedlichsten sexuelle Vorlieben waren vertreten. Gordon war ein Mensch, der im Leben für alles offen war.
Er liebte das Studio, den Club und seine Arbeit.
Aber genauso liebte er auch Sonntage.
An manchen Sonntagen unternahm er etwas mit seinen Angestellten. Mal ließ er Ella Rodriguez ein Picknick im Park planen. Dann wieder sorgte er für eine Freizeitaktivität, bei der seine Lehrer sich auf Rollschuhen, Inlineskates oder Schlittschuhen bewegen mussten, weil es den Gleichgewichtssinn schulte. Andere Sonntage verbrachte er mit einer faszinierenden Frau, die er in der Woche zuvor kennen gelernt hatte.
Nach besonders ereignisreichen Wochen, wie der vergangenen, blieb er dagegen lieber allein und sah sich einen Film an, den er noch nicht kannte, oder aber einen Klassiker.
Vor vielen, vielen Jahren hatte er sich ins Tanzen verliebt, als er Fred und Ginger, Cyd Charisse, Donald O’Connor, Buddy Ebsen, Gene Kelly und all die anderen Männer und Frauen gesehen hatte, die den Anmut und den Geist des Tanzens verkörperten. Heute war ihm nach ,Singin’ in the Rain‘, einem Film, der auch beim hundertsten Anschauen nicht langweilig wurde.
Gene Kelly tanzte gerade über den Bildschirm, als das Telefon klingelte. Gordon ignorierte es und ließ den Anrufbeantworter seine Arbeit tun. In dem Moment wurde jedoch aufgelegt, und gleich darauf klingelte es wieder.
Er fluchte, drückte auf der Fernbedienung die Pausentaste und nahm den Hörer ab.
„Hallo?“
„Mit dem Studio haben Sie eine gute Sache am Laufen.“
„Ja, und?“
„Das ist alles. Mit dem Studio haben Sie eine gute Sache am Laufen. Eine sehr gute Sache. Denken Sie daran. Denken Sie immer daran.“
Der Anrufer legte auf, und Gordon starrte den Hörer an, während er spürte, wie ihm Angstschweiß auf die Stirn trat.
„Was ist denn hier los?“ rief Shannon, die aus ihrem Zimmer gestürmt war, nachdem sie Lärm von der Hintertür gehört hatte.
Die Tür stand offen, von Quinn war nichts zu sehen.
Sam tauchte hinter ihr auf. „Jetzt sieh dir das an, Shannon! Du warst so unhöflich zu dem armen Kerl, dass er prompt die Flucht ergriffen hat!“
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. „Sam, irgendetwas ist da draußen vorgefallen! Vielleicht war jemand im Garten.“
„Dann komm, lass uns nachsehen!“ Er sah sie fragend an. „Was ist los? Hast du Angst?“
„Hm, vielleicht ist da draußen jemand, der eine Waffe hat, ein Messer oder eine Pistole …“
Sam lachte. „Warum um alles in der Welt soll sich jemand bewaffnet in deinem Garten herumtreiben?“
„Heute Morgen wurde am Strand eine Leiche entdeckt. Ich finde, wir sollten alle etwas vorsichtiger sein“, erklärte sie nachdrücklich.
„Dann ist es doch gut, dass du einen starken Tanzschüler hast, der in der Dunkelheit Fremden nachstellt, findest du nicht?“
Shannon reagierte nicht auf seine Bemerkung. „Sieh nach, ob die Haustür verschlossen ist, ehe wir rausgehen.“
Quinn rannte durch den Garten, über die Straße, durch einen anderen Garten, wieder zurück auf die Straße. Die ganze Zeit über war er dicht hinter dem Flüchtenden, den er in der einsetzenden Dunkelheit nicht erkennen konnte. Er hatte keine Ahnung, wen er da überhaupt verfolgte.
Dann hatten sie den Strand erreicht.
Quinn kam immer näher, und endlich war
Weitere Kostenlose Bücher