Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)
steckte. Seit er dreizehn gewesen war. Vier Jahre taube Finger, blaugefrorene Zehen und stechende Schmerzen in den Ohren, die aus dem Schutz seines dunklen Haares hervorragten. Er hatte auch andere Dinge gekauft – ein Skateboard mit Bones-Swiss-Kugellagern, eine Halskette für seine Mum zum Geburtstag, einen neuen Einkaufswagen für seine Nan, und gelegentlich hatte er auch das eine oder andere Pfund für Davey herausgerückt, wenn sein Bruder bestochen werden musste. Aber auf ein Motorrad hatte er die letzten zwei Jahre gespart, und Steven hatte alles darangesetzt, das Geld zusammenzubekommen. Der Gedanke, Shipcott verlassen zu können, ohne auf Ronnie oder die Tithecott-Zwillinge als Fahrer angewiesen zu sein oder auf ruckelnde Überlandbusse voller blaugetönter alter Damen und Männer, die nach Kühen rochen – das war alles, was er als Motivation brauchte, um weiterzutrotten, weiterzuarbeiten, weiterzuwarten.
»Deal?«, fragte Gary und streckte ihm die Hand hin.
Steven sah erst Lewis an, der seinem Blick auswich – dieser elende Feigling –, und dann Ronnie, der aufmunternd nickte.
»Na schön«, sagte er unglücklich und versuchte, dem Mann die Hand zu schütteln, nur um verlegen festzustellen, dass dieser die Handfläche nach oben gedreht hatte, um das Geld entgegenzunehmen, nicht um den Handel zu besiegeln wie Gentlemen. Gary lachte, als er ungeschickt zurückzuckte, und Steven kam sich vor wie ein Halbwüchsiger unter Männern.
Ihm war ein wenig übel, als er den Briefumschlag voller Geldscheine hervorzog und ihn Gary reichte.
Eigentlich wollte er unbedingt um eine Quittung bitten, wie seine Mutter es ihm eingeschärft hatte, doch Gary hatte das Geld bereits in die Gesäßtasche gestopft und hob eine der Kisten auf.
»Ich fass mal mit an«, meinte er, als wolle er die Beweise so schnell wie möglich verschwinden lassen, bevor sein Betrug aufflog.
Lewis schnappte sich den Rahmen, das Leichteste, was zu tragen war, Ronnie nahm trotz seines Hinkebeins die zweite Kiste, und Steven griff sich mit jeder Hand ein Rad.
Sie luden das, von dem Steven verzweifelt hoffte, dass es sich um ein komplettes Motorrad handelte, in den Anhänger, den Ronnie sich von irgendwoher geborgt hatte, und stiegen in den Fiesta. Lewis saß vorn, und Steven quetschte sich hinten hinein, neben einen alten Windhund, der es offenbar gewohnt war, sich auf dem ganzen Rücksitz auszustrecken, und nur widerwillig Platz machte, ehe er sich wieder auf Stevens Beine plumpsen ließ.
Sie fuhren zu schnell zurück nach Shipcott, zu Ronnie nach Hause, und der knochige Ellenbogen des Hundes bohrte sich bei jeder heiklen Kurve in Stevens Oberschenkel.
4
Detective Inspector Reynolds machte sich Sorgen wegen seiner Haare. Um das Mädchen machte er sich natürlich auch Sorgen, doch mit den Haaren würde er leben müssen, während das Mädchen bloß ein Fall von vielen war, wie die Fälle davor und all die, die noch folgen würden. Wahrscheinlich war sie durchgebrannt. Das war meistens so. Wenn nicht, wenn sie wirklich entführt worden war, dann würde sie gefunden werden oder auch nicht. Sie würde leben, oder sie würde sterben – oder sie würde den Rest ihres Lebens so verbringen, dass sie sich wünschte, sie könnte sterben.
Das hörte sich herzlos an, doch so war es nun einmal mit vermissten Kindern. Natürlich würde Reynolds alles in seiner Macht Stehende tun, um sie zu finden, doch im Augenblick war das Schicksal des Mädchens eine Frage mit offenem Ausgang. Seine Stirnfransen dagegen waren von Dauer.
Hoffte er zumindest.
Er begutachtete sie im Spiegel und schob sie erst zur einen und dann zur anderen Seite. Es war ein kalter Morgen, also hatte er gekniffen und eine Wollmütze aufgesetzt. Doch er konnte sich nicht für alle Zeit verstecken. Irgendwie waren die Haartransplantate unter den kalten Leuchtröhren in der Herrentoilette der Polizeiwache von Taunton viel auffälliger als zu Hause in seinem Badezimmer.
Er schob den Pony wieder zur anderen Seite. Es änderte nichts. Reynolds seufzte. Vielleicht hätte er sie sich nicht so kurz schneiden lassen sollen, doch der Gedanke an Elton Johns grässliche Moppfrisur hatte ihn zu einer ganz untypischen Machoreaktion verleitet.
Scheiß drauf.
Er hatte fast viertausend Pfund von seinen sauer verdienten Ersparnissen für die verdammten Dinger ausgegeben – da konnte er sich doch nicht den ganzen Tag auf dem Klo verstecken.
DI Reynolds atmete tief durch und kam türenknallend aus der
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