Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)
würde. »Was wollen Sie?«
Jonas Holly blieb stehen, als wäre ihm zum ersten Mal klar geworden, dass Steven vielleicht Angst haben könnte. Er stand still da und sagte leise: »Hast du Schwierigkeiten, Steven? Schuldest du jemandem Geld?«
Steven war ganz durcheinander. Sein Verstand musste erst aufholen.
Mr Holly schien sein Schweigen als Eingeständnis zu deuten. »Geht’s um Drogen? Wenn dich jemand bedroht, kann ich dir helfen. Das ist mein Job.«
Steven sagte nichts. Mr Holly war der letzte Mensch auf der Welt, den er um Hilfe bitten würde.
Als lese er seine Gedanken, fuhr der Polizist fort: »Ich weiß, ich habe die Leute damals enttäuscht, aber das wird nicht noch einmal passieren. Wenn du in Gefahr bist, Steven …«
»Nein! Es ist alles okay !Lassen Sie mich in Ruhe ! « In einem unbewussten Versuch, sich ein wenig Raum zu verschaffen, fuchtelte Steven mit einem Arm vor sich herum. Seine Fingerknöchel streiften Jonas Hollys Brust.
»Warum hast du dann das Geld da hingelegt?«
»Weil es ihr gehört.«
Steven hielt den Atem an.
Jonas Holly stand vollkommen regungslos da, die Arme neben dem Körper. »Wie meinst du das?«
»Ich muss jetzt nach Hause.«
»Wie meinst du das?«
Steven versuchte, sich um ihn herumzuschieben, und Mr Holly packte seinen Arm mit eisernem Griff. »Sag’s mir.«
Steven stockte vor Schreck der Atem. Die Stimme war Mr Hollys, aber auch wieder nicht. Sie war tonlos und harsch und tintenschwarz, und Steven spürte eine Veränderung in der warmen Nachtluft, als hätte Gott irgendwo in der Nähe eine Tür offen gelassen und die Kälte wäre hereingeströmt.
Er begann zu zittern. Sekunden zuvor war er sich noch wie ein Mann vorgekommen. Jetzt fühlte er sich wie ein Mann, der gleich sterben würde, ohne Zuflucht oder Verteidigung, eine Krabbe ohne Panzer, die in einem Eimer herumkrabbelt, ohne Schutz vor der unmittelbaren Bedrohung, zu der Mr Holly jäh geworden war.
Scham brannte Steven in den Augen. Wenn Em ihn jetzt sehen könnte – so klein und verängstigt –, würde sie ihn nie wieder küssen. Im Dunkeln konnte Steven die Augen des Mannes nicht sehen – nur das schwache Zwillingsglitzern dort, wo sie sich befanden, wie er wusste. Unter diesem unsichtbaren Blick konnte er nicht einmal so tun, als wäre er tapfer.
»Es gehört ihr «, flüsterte er. »Sie hat es mir geschenkt, aber ich wollte es nicht, darum hab ich’s zurückgegeben. Meine Mum wartet auf mich. Und meine Nan.«
»Warum hat sie das getan?«
»Ich weiß nicht. Ich weiß es nicht! Ich hab nicht gefragt. Sie tun mir weh.«
»Wann hat sie es dir gegeben?«
Stevens Stimme überschlug sich. »Ich muss nach Hause !«
»Wann?«
Steven hatte Angst, aber plötzlich war er auch wütend. Wütend darüber, dass Mr Holly ihm die Freude über den Kuss gestohlen hatte. Wütend darüber, dass er seine Frau ermordet hatte, wo sie doch so freundlich und so hübsch und so lustig gewesen war. So wütend, dass ihm einen Augenblick lang jeglicher Selbsterhaltungstrieb abhandenkam …
»An dem Abend, an dem Sie sie umgebracht haben.«
Die Finsternis zwischen ihnen beiden wurde zu einem trägen Vakuum, das die letzte Kühnheit aus Steven heraussaugte, die Tränen aus seinen Augen, den Schrei von seinen Lippen, die Wut aus seinem Bauch. Er fühlte, wie all das von der stummen schwarzen Gestalt vor ihm aus ihm herausgezogen wurde, so dass er nur noch von betäubtem Entsetzen erfüllt war.
Wenn Mr Holly ihm jetzt in diesem Moment befohlen hätte, dort stehen zu bleiben, während er ein Messer holen ging, um ihn damit zu töten, hätte Steven sich mitten auf der Straße hingesetzt und auf ihn gewartet. Flennend.
Stattdessen ließ Jonas Stevens Arm los.
Er trat langsam einen Schritt zurück.
Er deutete mit einem Kopfrucken auf den Fluchtweg den Hügel hinunter.
»Du kannst jetzt abhauen«, sagte er.
Also tat Steven genau das.
31
Elizabeth Rice kam gerade aus der Dusche, als ihr Handy klingelte. Es war Reynolds.
»Unten ist jemand, der mit der Polizei sprechen möchte. Ich komme gerade aus der Dusche. Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich darum zu kümmern, Elizabeth?«
Würde es Ihnen etwas ausmachen, Elizabeth?
Rice bekam diese sechs Worte allmählich gründlich satt.
»Natürlich nicht«, antwortete sie verkniffen.
Ihr Haar war noch triefnass, also wickelte sie es in einen Handtuchturban, dann zog sie Bluse, Rock und praktische flache Schuhe an und wollte gerade das Zimmer verlassen. Da kam ihr der
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