Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab
haben. In ihrem Film sind sie nie die Bestimmer. Denn ihr zentraler Glaubenssatz lautet: »Ich kann ja doch nichts tun.« Die Psychologie nennt so eine Haltung »gelernte Hilflosigkeit« – sie wird gelernt, indem hier die selbsterfüllende Prophezeiung negativ gepolt ist und so das Leben immer mehr dem Negativkonzept angepasst wird. Ein Mensch kann noch so fleißig und begnadet sein – wenn er nicht daran glaubt, dass dies eine konstruktive Auswirkung auf ihn und andere hat, wird er sich lieber zurückhalten und andere machen lassen. Folglich findet er sich in der zweiten oder dritten Reihe wieder, während andere die Regie führen. Sogar in seinem eigenen Lebensfilm.
Komparsen, also Menschen mit einem niedrigen Grad an Selbstwirksamkeit, sind nachweisbar weniger motiviert zu handeln, neigen zu weniger tiefen Emotionen bis hin zur Niedergeschlagenheit und Depression und zeigen eine geringere Lernbereitschaft als andere. Lediglich aufgrund ihrer Haltung manövrieren sie sich an den Rand des Spielfeldes, bis sie gar nicht mehr mitspielen (dürfen).
»Alle Menschen haben die Anlage, schöpferisch tätig zu sein.
Nur merken es die meisten nie.«
Truman Capote
Glücklicherweise gibt es nicht nur ein »Entweder-oder«. Wir alle weisen ein bestimmtes Maß an Selbstwirksamkeit zwischen diesen beiden Extremen auf. (Einen Selbsttest dazu finden Sie im dritten Teil dieses |106| Buches auf Seite 133.) Man könnte jetzt anmerken, dass dies doch entscheidend davon abhänge, ob jemand »kleine Brötchen backt« oder ein Unternehmen leitet – schließlich hat der eine objektiv mehr Einfluss als der andere. Aber das stimmt so nicht: Eine hohe Position macht noch keinen Regisseur – aber derjenige steigt höher auf, der ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit mitbringt. Und auch jemand mit objektiv wenig Gestaltungsfreiraum kann sich innerhalb dessen durchaus selbstbestimmt fühlen und seinen Spielraum nutzen, wenn er einen hohen Grad an Selbstwirksamkeit aufweist.
Aktiv oder reaktiv — Strategien der Neuorientierung
Wenn wir vor der Frage stehen, unser totes Job-Pferd endlich auszumustern und uns nach neuen Ufern umzusehen oder lieber doch noch ein bisschen sitzen zu bleiben, ist von großer Bedeutung, wie selbstwirksam wir denken. Ich möchte Ihnen daher zwei Strategien der Neuorientierung vorstellen: die aktive des Regisseurs und die reaktive des Komparsen. Wenn diese Extreme natürlich auch selten so deutlich auftreten, wird doch die Tendenz deutlich:
Reaktive Karrierestrategie: Mit einem niedrigen Grad an Selbstwirksamkeit neigen wir eher zu dieser Strategie. Generell halten wir uns dann lieber an vorgezeichnete Karrierewege und klar definierte Profile. Bei der Berufswahl orientieren wir uns daran, was uns andere empfehlen und was auf dem Arbeitsmarkt angeblich gefragt ist. Komparsen sind eher extrinsisch motiviert, das heißt, sie lassen sich eher durch das Feedback anderer und durch äußere Anreize leiten. Deshalb haben andere Menschen großen Einfluss auf den Gang ihrer Karriere. Sie neigen daher dazu, über lange Zeit in einem Unternehmen zu arbeiten und dort die Karriereleiter Schritt um Schritt zu nehmen. Beförderungen werden eher von den Vorgesetzten initiiert. Verlässt ein Mensch mit wenig Selbstwirksamkeit sein Unternehmen, |107| greift er vor allem auf Stellenanzeigen zurück. Oder er lässt sich von Headhuntern abwerben. Die Kernfrage der reaktiven Strategie lautet: Was ist im Angebot? Was wollen potenzielle Arbeitgeber? Und darauf folgt natürlich: Kann ich das liefern? Damit ist er den Launen des Arbeitsmarktes stark ausgesetzt: Sind dort jüngere Leute gefragt? Andere Qualifikationen? Wenn er lange in einer bestimmten Position gearbeitet hat, kommt er für wenig anderes infrage. Möchte er sich gern grundlegend verändern, bietet ihm die reaktive Strategie weniger Möglichkeiten, denn die Chancen sind klein, dass er für etwas angefragt wird, für das er keine Erfahrungen nachweisen kann.
Aktive Karrierestrategie: Ein hoher Grad an Selbstwirksamkeit ermöglicht es hingegen, diese Strategie zu verfolgen. Je mehr wir uns als Regisseur unserer Karriere verstehen, desto weniger sind traditionelle Wege für uns interessant. Das macht die Wahl nicht unbedingt leichter, weil wir generell viel mehr Möglichkeiten für uns sehen als ein Komparse. Im Mittelpunkt steht für den Regisseur immer die Frage: Was will ich tun, und welche Tätigkeit passt zu mir? Er ist grundsätzlich eher intrinsisch motiviert, das
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