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Ihr schafft mich

Ihr schafft mich

Titel: Ihr schafft mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Nuetzel
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einer Behörde gekommen sei und gefragt habe: »Will der junge neue Erdenbürger auch Bürger der Bundesrepublik Deutschland sein?«, der wird die Antwort bekommen: »Nein, diese Frage hat nie jemand gestellt.« Wer deutsche Eltern hat, der wird nicht gefragt, ob er deutscher Staatsbürger sein möchte. Auch zum 18. Geburtstag stellt niemand diese Frage. Dem Staat, in den man hineingeboren wird, tritt man nicht bei. Und man kann aus ihm auch nicht austreten. Man kann vielleicht in einen andern Staat auswandern, dort dessen Staatsbürgerschaft annehmen und seine alte Staatsbürgerschaft aufgeben. Aber zum Staatenlosen zu werden, ist heute – zumindest in Europa – so gut wie unmöglich.
    Man kann sagen: »Ich will nicht Mitglied der katholischen (oder auch evangelischen) Kirche sein. Ich will nicht, dass die Regeln dieser Kirche für mich gelten.« Aber niemand kann sagen: »Ich will nicht Mitglied des deutschen Staates sein. Die Gesetze, die dieser Staat macht, gelten für mich nicht.« Spätestens dann, wenn er gegen die Gesetze des deutschen Staates verstößt, wird er merken: Es ist völlig egal, ob man möchte , dass Gesetze für einen gelten. Die andern wenden die Gesetze einfach auf einen an. Bis dahin, dass sie einen ins Gefängnis stecken. Aber warum eigentlich? Und muss das sein?
    Ich mach dich Messer.
    Es ist Freitagvormittag in einer mittelgroßen Schule irgendwo in Deutschland. Ein Junge begegnet im Pausenhof einem andern, den er schon seit Längerem nicht leiden kann. Erst gibt es einen schrägen Blick. Dann gibt es patzige Bemerkungen. Beschimpfungen. Auch über Mütter und Schwestern. Sie schubsen und stoßen sich. Inzwischen stehen ihre Freunde drum herum. Sie setzen ihre Fäuste ein, treten. Hinterher ist an der Schule von einer Massenschlägerei die Rede. Wie viele dabei waren, lässt sich nicht mehr genau herausfinden. Sicher ist aber: Am Ende hat der eine der beiden, die den Streit begonnen haben, ein gebrochenes Schienbein und ein gebrochenes Nasenbein. Der Spruch »Ich mach dich Krankenhaus!« klingt witzig. Wer mit eingegipstem Bein im Klinikbett liegt, findet ihn weniger lustig.

    Damit ist die Sache noch nicht vorbei. Die Freunde der beiden Jungs rufen auf Facebook zu einer neuen Schlägerei auf. Vergeltung ist angesagt. Sie putschen sich in ihren Einträgen gegenseitig hoch, provozieren sich. Andere Schüler erzählen von all dem, was da passiert, zu Hause mit einer Mischung aus Faszination und Angst. Bei Asterix sieht es ulkig aus, wenn prügelnde Gallier ein großes Knäuel bilden. Beim kleinen Nick endet jede zweite Geschichte mit einer Massenschlägerei. Aber bei einer Schlägerei in der Wirklichkeit hört der Spaß schnell auf. Und als auf Facebook das Wort »Amoklauf« kursiert, greift die Polizei ein. Sie macht die besonders wortgewaltigen Schüler ausfindig. Und sie macht ihnen klar, dass in Deutschland eigentlich nur eine Gruppe von Leuten ungestraft Gewalt anwenden darf: Polizisten. Und auch nur dann, wenn sie gute Gründe dafür haben.
    Ein besonderes Monopol
    Wer einem anderen das Nasenbein bricht, kann ihm auch den Kiefer brechen. Oder den Schädel. Wie schnell das geht, lässt sich täglich in der Zeitung lesen. U-Bahn-Schläger, Messerstecher in der Disco – jeden Tag verhalten sich auch im zivilisierten Deutschland des 21. Jahrhunderts Menschen so, wie man es sich von der Steinzeit vorstellt. Die Bereitschaft, gewalttätig zu werden, steckt ganz offensichtlich in vielen Menschen.

    Allerdings gilt es auch schon seit Jahrtausenden als keine gute Idee, dass die Menschen diese Gewaltbereitschaft einfach austoben. Um zu verhindern, dass Einzelne Gewalt gegen andere anwenden, gibt es vor allem eine Lösung: Es braucht einen Staat . Ein Staat hat also erst einmal nichts mit einem Parlament, einem gewählten Kanzler oder Präsidenten zu tun. Alles das, woran viele beim Stichwort »Staat« als Erstes denken, kommt erst später. Den Begriff »Staat« kann man viel einfacher erklären, meinte beispielsweise der Gesellschaftsforscher Max Weber schon vor über hundert Jahren. Auf die Frage, was ein Staat eigentlich ist, lautet seine Antwort: »Diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht.« Das klingt etwas altertümlich.

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