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Ihr schafft mich

Ihr schafft mich

Titel: Ihr schafft mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Nuetzel
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freundlich aufzutreten, aber auch selbstbewusst. Minister geben Anweisungen. Sie wundern sich nicht, wenn andere dauernd um sie herumscharwenzeln und sie laufend mit »Herr Minister« anreden. Minister fahren nicht selbst Auto, sondern werden von einem Chauffeur gefahren. Daran muss man sich erst mal gewöhnen. Aber irgendwann hat man sich auch dran gewöhnt.

    Wenn Philipp Rösler nach einem Termin in seiner Rolle als Minister zu seiner Familie nach Hause fährt, dann wird er dort ganz anders angeredet. Denn dort warten zwei Mädchen, die im Jahr 2008 auf die Welt gekommen sind. Die Zwillingsschwestern Grietje und Gesche sagen vielleicht »Papa« oder »Vati«, wenn sie ihn sehen, aber sicher nicht »Herr Minister«. Rösler wiederum tritt ihnen gegenüber nicht in der freundlichen, aber bestimmten Rolle des Politikers auf, sondern in der Rolle des Vaters.
    Auch Wiebke Rösler wird den Politiker Philipp Rösler nicht als Politiker erleben – sondern als ihren Ehemann. Seiner Frau Wiebke gegenüber steckt Philipp Rösler also in mindestens zwei Rollen. Er übt die Rolle als Mann aus. Das heißt, er verhält sich gegenüber Wiebke (als Frau) anders, als er es gegenüber Männern tut. Kann sein, dass er ihr in den Mantel hilft, ihr die Tür aufhält. Außerdem ist er auch ihr Ehepartner. In dieser Rolle verhält sich Philipp Rösler noch einmal anders. Wir dürfen vermuten, dass Philipp Rösler mit seiner Ehefrau nicht genauso umgeht wie mit anderen Frauen. So hat er Wiebke Rösler zur Mutter gemacht. Von anderen Frauen ist nichts Entsprechendes bekannt.
    Damit sind die verschiedenen Rollen des in Vietnam geborenen Politikers aber noch längst nicht alle aufgezählt. Philipp Rösler sagt von sich selbst auch, er sei Katholik. Ein Pfarrer, der ihm das christliche Abendmahl austeilt, sieht ihn also wieder in einer speziellen Rolle. In der Rolle des Gläubigen. Oder man kann sich einen Besitzer eines Optikergeschäfts vorstellen. Wenn der den Brillenträger Rösler in seinen Laden kommen sieht, denkt er vielleicht: »Aha, dieser Herr will eventuell ein neues Brillengestell kaufen.« Kunde wäre wieder eine andere Rolle für Philipp Rösler.
    Rollen können sich aber auch verändern, mitunter sogar recht schnell. Bevor Rösler in die Politik ging, war er Arzt und trat in dieser Rolle Menschen gegenüber. Diejenigen, mit denen er zu tun hatte, nahmen jeweils für sich entsprechende Rollen ein, beispielsweise:
    â€¢ als Arztkollegen (die auf der gleichen Ebene wie Rösler arbeiteten),
    â€¢ als Chefs (die ihm Anweisungen geben durften und manchmal sogar mussten),
    â€¢ als Pfleger und Krankenschwestern (die Anweisungen von Rösler akzeptieren mussten ),
    â€¢ als Patienten (die von Rösler als Arzt auf fachkundige Behandlung hofften).
    Wenn die Rolle zwickt
    Rollen bringen allerdings Konflikte mit sich. Das lässt sich etwa daran sehen, wie das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« über ein Gespräch geschrieben hat, bei dem Philipp Rösler nicht dabei war – obwohl dieses Gespräch für seine Karriere ausgesprochen wichtig war. Rösler sei »nur per Telefon zugeschaltet« gewesen, als sein Vorgänger in der Funktion des FDP -Vorsitzenden, Guido Westerwelle, entmachtet wurde, schrieb der »Spiegel«. Die Begründung formuliert die Zeitschrift mit einer gewissen Häme: »Weil er zu Hause die Kinder hüten musste.« Hier wird klar, Rösler steckte in einem Rollenkonflikt . Zwischen der Rolle als vielbeschäftigter Politiker und der Rolle als Vater.
    Solche Rollenkonflikte entstehen vor allem aus einem Grund. Die andern haben Erwartungen an den, der eine bestimmte Rolle ausfüllt – Rollenerwartungen . So erwarten die Kinder von ihrem Vater, dass er ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenkt. Parteikollegen erwarten von einem Minister, dass er alles für sein Amt gibt. Beides unter einen Hut zu bringen, ist so gut wie unmöglich. Also steckt der Minister und Vater in einem Konflikt mit sich selbst.
    Leben mit System
    Unter Gesellschaftswissenschaftlern gilt dabei eines inzwischen als sicher: Wenn Menschen miteinander in Kontakt treten, dann findet nicht nur ein Rollenspiel statt. Durch diesen Kontakt entsteht etwas Neues, das über das Handeln der einzelnen Menschen hinausgeht. Sie bilden soziale Systeme . Diese Systeme können auf wenige Menschen

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