Ihr schafft mich

einfallen lassen.« Vielmehr würde das »System Politik« wohl auch weiter vor sich hinlaufen, wenn nur noch 30 oder 20 Prozent der Bürger bei den Wahlen mitmachen.
    Politik im Eyeliner
    Eines ist allerdings ein Irrtum: Zu glauben, dass das, was im »System Politik« geschieht, einen selbst nicht betrifft. Nehmen wir Franziska. Sie ist 15 Jahre alt und wacht irgendwo in Deutschland morgens auf. Welche Rolle spielt die Politik in diesem Moment für ihr Leben? »Gar keine«, würde sie gequält antworten, wenn wir sie jetzt gerade, morgens um sieben, fragten. Da würde sie aber ziemlich falschliegen. Denn sie wacht auf, weil gerade der Wecker geklingelt hat. Den hat Franziska gestellt, weil für sie die Schulpflicht gilt. Und die ist politisch geregelt. Die Politik regelt aber noch mehr, was Franziska an diesem Tag begegnet. Hier eine kleine Auswahl:•
    â€¢ Was in ihren Frühstücks-Schokopops enthalten sein darf und was auf der Packung stehen muss .
    â€¢ Welche Inhaltsstoffe der Augenbrauenstift enthalten darf, mit dem sie sich nach dem Frühstück herrichtet.
    â€¢ Was für Sachen sie in der Schule lernt.
    â€¢ Wie die Prüfungen aussehen, auf die sie sich später einmal vorbereitet.
    â€¢ Wie lange sie nebenher jobben darf, wenn sie ihr Taschengeld aufbessern will.
    â€¢ Ob sie in der Öffentlichkeit rauchen darf.
    â€¢ Ob sie im Alter von 13, 16 oder erst 18 mit einem erwachsenen Freund schlafen kann, ohne dass das Ganze strafbar ist.
    â€¢ Unter welchen Bedingungen sie abtreiben könnte, wenn sie schwanger würde.
    â€¢ Ob sie einen Mindestlohn bekommt, wenn sie arbeitet, oder ob sie sich vielleicht mit vier Euro in der Stunde abspeisen lassen muss.
    â€¢ Wie viel sie von ihrem Arbeitslohn an Kranken- oder Rentenkassen zahlen muss.
    â€¢ Was sie selbst zahlen muss, wenn sie zum Arzt geht.
    â€¢ Ab wann sie einen Führerschein fürs Motorrad oder Auto machen darf.
    Unnötig zu sagen, dass diese Liste nicht vollständig ist.
    Politiker regeln also im Leben jedes Einzelnen eine ganze Menge. Gleichzeitig muss man feststellen: In Ländern wie Deutschland können die meisten Menschen mit ihrem eigenen Leben ganz zufrieden sein. Dennoch sind »die Politiker«, also diejenigen, die gesetzliche Regeln für dieses Leben aufstellen, als Gruppe ziemlich unbeliebt. Aber warum eigentlich? Sind sie ein ekliger Haufen von abgehobenen, machtgeilen Halbverbrechern?
    Politik verbiegt.
    Es ist zwar weit verbreitet, sich über die Politiker irgendwie aufzuregen. Aber meistens bringt Irgendwie-Aufregen nicht sonderlich viel. Genauso ist es mit dem Irgendwie-Aufregen über die Politiker . Einen Schritt weiter bringt einen die Frage: »Warum sind die so, wie sie sind?«
    Die Antwort beginnt damit, dass es oft eine bestimmte Sorte von Leuten ist, die in die Politik geht. Es sind Leute, die sagen: Von selbst läuft der Politikbetrieb nicht und von selbst ändert sich nichts. Es sind aber auch Leute, die sagen: »Ich will etwas bewegen. Ich will etwas verändern.« Sprich: Wer es in der Politik auf Dauer aushalten will, der sollte von sich selbst hundertprozentig überzeugt sein. Gern auch noch ein bisschen mehr als hundert Prozent. Er sollte gern » ICH « sagen oder auf Latein: Er sollte ein ordentliches Ego haben.
    Im Politikbetrieb sind also eine Menge große Egos zusammengesperrt. Sobald sie eine bestimmte Stufe erreicht haben, bekommen sie meist zusätzliches Futter für ihr Ego. Wenn der Herr Gemeinderat oder die Frau Stadträtin irgendwo aufkreuzt, dann werden sie oft mit einem Respekt begrüßt und behandelt, den sie sonst vielleicht nicht bekommen. Und wenn jemand Landtagsabgeordneter oder gar Bundestagsabgeordneter ist, dann ist er (oder sie) endgültig etwas Besonderes.
    Futter fürs Politiker-Ego
    Spätestens auf dieser Stufe geht es dann los mit ganz greifbaren Dingen, die Politiker vom Rest der Menschheit abheben. Der Politiker hat Mitarbeiter, die ihm Arbeit abnehmen. Er hat ein hübsches Arbeitszimmer. Ihm steht ein Fahrdienst mit dicken dunklen Autos zur Verfügung.
    Natürlich brauchen Landtagsabgeordnete oder Bundestagsabgeordnete Hilfe von Mitarbeitern. Sie brauchen ein ordentliches Büro. Sie können nicht immer nur zu Fuß durch die Gegend laufen. Aber sie können sich auch meist nicht dagegen wehren, dass sie sich als etwas Besonderes fühlen, sobald ihnen vieles