Ihr stolzer Sklave
hatte ein hohles Gefühl im Magen. Der Anblick der Kinder beschämte ihn. Iseult sollte jetzt hier sein, um den Jungen zu sehen. Sie sollte die Arme ausbreiten und vor Dankbarkeit weinen.
Und auf einmal packte ihn die Panik. Er verstand nichts von Kindern. Er hatte die Kleinen nie viel beachtet und besaß nicht die leiseste Ahnung, wie mit ihnen umzugehen war.
„Rosaleen …“
„Ich werde für euch drei einen Platz finden, wo ihr die Nacht verbringen könnt. Du wirst mit ihnen reden wollen, bevor du sie zu Aidans Mutter bringst.“ Rosaleen umarmte die beiden Kinder und strich dem Mädchen übers Haar. „Shannon war das letzte Jahr über zusammen mit Aidan in Pflege. Ich versprach ihr, sie nicht von ihrem Bruder zu trennen. Er ist alles, was ihr geblieben ist, seitdem ihre Eltern letztes Jahr starben.“ Die alte Frau warf ihm einen solchen Blick zu, dass er diesem Kind seinen Schutz nicht verweigern konnte. Er hatte nicht mit zwei Kindern gerechnet, aber was sollte er sonst tun?
„Ich bin ein Fremder für sie“, hörte er sich sagen. „Vielleicht willst du jemanden als Begleitung mitschicken?“
Doch sobald die Worte über seine Lippen kamen, erkannte er, wie unsinnig sie waren. Es gab weit mehr Kinder als überlebende Erwachsene in dieser ehemaligen Siedlung. Die, die noch übrig waren, waren alt oder stillende Mütter.
Rosaleen nahm ein Kind an jede Hand. „Du kamst als ein Fremder zu uns. Und du halfst uns, die zu begraben, die den Überfall nicht überlebten.
Ich kann nicht sagen, welche Gebete dafür verantwortlich sind, dass du hier bist, aber ich bin eine gläubige Frau. Ich erkenne einen guten Menschen, wenn ich ihn sehe. Und ich weiß, dass Aidan ein MacFergus ist, denn seine Pflegemutter sagte es mir.“ Sie schenkte ihm ein müdes Lächeln und legte Aidans Hand in seine Rechte und die von Shannon in seine Linke. „So, und jetzt bringe ich euch für die Nacht unter. Morgen früh könnt ihr dann eure Reise beginnen.“
Ihre Finger lagen unglaublich klein in seinen Händen. Aidans Mund zitterte ängstlich, und Shannon starrte zu Boden.
Während er Rosaleen folgte, ertappte Kieran sich dabei, wie er für sich selbst ein Gebet sprach.
Bitte, lieber Gott, lass sie nicht weinen.
Das war nicht möglich. Nicht schon wieder.
Iseults Hand fasste an ihren Bauch. Ihr Inneres schrie auf bei dieser Ungerechtigkeit, aber sie konnte die Wahrheit nicht länger verleugnen.
Seitdem sie Kieran das letzte Mal gesehen hatte, hatte sie ihre Blutungen nicht mehr gehabt.
Noch ein Kind wuchs in ihrem Bauch.
Am liebsten hätte sie vor Zorn laut geschrien. Wieder hatte das Schicksal sie mit der lebenden Erinnerung an die Zurückweisung eines Mannes verflucht.
Das letzte Mal hatte Murtagh sie verlassen, an ihrem Hochzeitstag und von dem Kind wissend. Ihre Familie und ihre Freunde wurden Zeugen ihrer Schande, und sie hatte noch sechs Monate des Anstarrens, des Geredes und der Demütigungen ertragen müssen, bevor sie Aidan in ihren Armen hielt.
Aber als er erst einmal dort lag, hatte der Anblick ihres Sohnes sie alles andere vergessen lassen.
Würde es mit diesem Baby genauso sein? Würde ihr Herz dahinschmelzen, wenn sie spürte, wie das Kind ihren Finger zu greifen versuchte und Vertrauen zu ihr fasste?
Nein. Dieses Mal würde es schlimmer sein, weil sie in den Zügen des Kindes Kierans Gesicht wiedererkennen würde. Jeden Tag würde ihr bewusst werden, dass er sie nicht genug liebte, um sie mit sich zu nehmen.
Und selbst wenn sie ihm von dem Kind erzählen wollte, wo sollte sie ihn suchen? Er konnte überall in Irland sein.
Heilige Brigid, was sollte sie nur tun? Sie hatte sich so sehr bemüht, ihn zu vergessen, hatte versucht, ein neues Leben für sich aufzubauen.
Und genau wie zuvor würde sie das Kind eines Mannes tragen, der sie verlassen hatte.
„Iseult?“ Davins Erscheinen unterbrach sie in ihren Gedanken. Als könnte er ihren Zustand erraten, nahm sie rasch die Hand von ihrem Bauch. „Ich kam, um dich zu fragen, ob du mit uns kommen möchtest. Niamh, Orin und ich wollen mit dem Boot hinaus.“ Er lächelte sie warm an. Vielleicht schließen wir noch einmal eine Wette ab, wer die meisten Fische fängt.“ Ohne Vorwarnung brach sie in Tränen aus. Als er das Fischen erwähnte, war es ihr unmöglich, ein Schluchzen zu unterdrücken. Es war der Tag gewesen, an dem sie sich in Kieran verliebt hatte.
Davin hatte keine
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