Ihr stolzer Sklave
diesen Sklaven wirklich. Das konnte er an ihrem wehmütigen Gesichtsausdruck erkennen und an der Art, wie sie Kierans Werkzeuge anfasste. Sie wollte bei ihm sein.
Und die Vorstellung, dass die beiden womöglich beisammen waren, weckte in ihm den Wünsch, etwas niederzustechen.
Niamh rutschte an der Stallwand hinunter und zog die Füße unter ihr léine . „Ich glaube, ich habe zu viel getrunken.“ Gedankenverloren spielte sie mit ihrem Haar und begann dann, es zu lösen. In sanften Wellen breitete sich die braune Fülle über ihre Schultern aus. Das Licht der schwindenden Sonne zauberte einen goldenen Heiligenschein auf ihr Haar.
Gegen seinen Willen zog die Art, wie ihr Gewand ihre üppigen Formen nachzeichnete, Davins Blick an. Auch wenn ihr Gesicht nicht so hübsch war wie das von Iseult, so besaß Niamh doch ein interessantes Lächeln.
„Wieso bist du ihnen nicht gefolgt?“, fragte sie. „Kieran und Iseult, meine ich.“
Die Wirkung des Bieres ließ den Stall ein wenig schwanken. Davin setzte sich neben Niamh und lehnte sich zurück, um das Gleichgewicht zu behalten. „Ich weiß es nicht. Ich hätte es tun sollen.“ Er stützte die Hand aufs Knie. Das Bier hatte seine Sinne noch nicht genug vernebelt, und seine Unruhe bestand weiter. „Warum bist du wirklich gekommen, Niamh?“ Sie errötete schuldbewusst. Dann packte sie der Trotz. „Weil ich dir helfen wollte, sie zu vergessen“, flüsterte sie.
In ihren Augen erkannte er einen Sturm verwirrter Gefühle – und noch etwas: ein Sehnen. Es erschreckte ihn, eine Frau zu sehen, die ihn begehrte.
Er kannte sie nun schon seit vielen Jahren, doch nie hatte sie irgendwelche Gefühle in ihm geweckt. Sie war einfach eine Freundin, jemand, der immer da war.
„Was willst du von mir, Niamh?“, fragte er.
„Ich will, dass du sie gehen lässt.“ Sie legte ihm die Hand auf die Schulter.
Die Berührung ihrer Hand erschreckte ihn, weckte Empfindungen, die er seit Langem unterdrückt hatte.
„Und wenn ich es täte?“, fragte er.
Sie hob die Hand zu den Bartstoppeln an seinem Kinn und rieb sanft mit den Fingern darüber. „Dann hast du vielleicht eine Chance, erneut Liebe zu finden. Unerwartet. Irgendwo.“
Kein einziges Mal hatte sie von ihren Gefühlen gesprochen, auch wenn sie so klar wie Wasser waren. Davin nahm ihre Hand. Er merkte, dass das Bier ihn entspannter hatte werden lassen, als es gut war. Sonst hätte er Niamh nie angefasst.
Aber sie stieß ihn nicht von sich. Und er fand es faszinierend, sie anzuschauen. Mit dem Daumen strich er ihr über den Mundwinkel und beobachtete ihre Reaktion. Sie bekam eine Gänsehaut.
Davin beugte sich vor und berührte mit den Lippen ihren Mund. Ihre süße Unschuld verlockte ihn, und da sie seinen Kuss erwiderte, vertiefte er ihn.
Als er sich schließlich von ihr löste, waren ihre Wangen flammend rot. „Ich bin schon zuvor geküsst worden. Doch noch nie von dem Mann, den ich will.“ Ein trauriges Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. „Danke, dass du Mitleid mit mir gehabt hast.“
Bevor er etwas antworten konnte, stand sie auf und floh aus dem Stall. Es war nicht aus Mitleid geschehen.
Und das war vielleicht die größte Überraschung.
19. KAPITEL
Kieran roch den Rauch schon Meilen im Voraus, bevor er die Siedlung erreichte. Einst war sie ein catháir , ein aus Stein gebauter Ringwall gewesen . Fast nur noch Asche war davon übrig. Laute vermischten sich, Kinder, die weinten, und Mütter, die versuchten, sie zu beruhigen.
Darunter war das Wimmern von Menschen, die im Sterben lagen. Es war wie ein Albtraum, nur dass er sich in der Wirklichkeit abspielte. Ihm kam es vor, als hätte er die Reise nur unternommen, um die Auswirkungen des Überfalls mit ansehen zu müssen. Er unterdrückte ein Schaudern, während er abstieg und sein Pferd anband. Es war egal, wer es getan hatte, die Nordmänner oder ein anderer Clan. Was zählte, waren die Überlebenden.
Kleine Hütten lagen über das Land verstreut, bis Kieran die Dorfmitte ereichte, wo die Menschen dicht zusammengedrängt standen. Was er vorfand, entsetzte ihn.
Die Körper erschlagener Männer lagen auf dem Boden, steif geworden, bevor irgendjemand sie hatte begraben können. Auch Frauen befanden sich darunter. Die Lebenden drängten sich aneinander und trösteten die Kinder. Ihre Blicke durchbohrten ihn misstrauisch und furchtsam.
Es war, als ginge er zwischen
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