Ihr stolzer Sklave
aufblitzenden Zorn und die vor Hass sprühenden Augen gemalt. Diese Frau faszinierte ihn mit ihrer Schönheit und ihrem Geist.
Er sammelte das heruntergefallene Fleisch und Gemüse auf und fragte sich, wieso Iseult sich die Mühe gemacht hatte, ihm ein Mahl zu bereiten.
So etwas hatte seit Langem keiner für ihn getan. Sie mochte ihn nicht; das konnte er in ihren Augen lesen.
Kieran griff nach dem Eibenholz und fing an, die Umrisse ihres Gesichts aufzuzeichnen. Augenblicklich verlor er sich ganz in seiner Arbeit. Mit einem eisernen Hohleisen bearbeitete er den Hintergrund. Der Duft von Holzspänen vermischte sich mit der Morgenluft, und er fand darin Trost. Die Werkzeuge stießen in das weiche Grünholz und holten die Feinheiten hervor.
Als er schließlich aufblickte, war schon die Hälfte des Vormittags vorüber.
Er sah, dass jemand draußen vor der Tür einen Beutel mit Vorräten zurückgelassen hatte. Er fand Brot darin, brach sich ein Stück ab und genoss den Geschmack des frisch gebackenen Teigs. Er sah, wie Iseult eine Stute durch das Tor in den Ringwall führte. Ihr Gesicht war blass und ihre Wangen nass, als hätte sie geweint. Unwillkürlich spürte er das Verlangen, herauszufinden, was geschehen war.
Das geht dich nichts an, warnte ihn sein Verstand. Aber er hatte noch nie eine Frau gesehen, die kurz vor der Hochzeit stand und dabei so unglücklich aussah.
Iseult zerdrückte einen Klumpen Lehm, und dabei spritzte Wasser überall auf das braune léine , das sie trug. Sie kümmerte sich nicht darum. Die Tränen strömten ihr über die Wangen, während sie die Finger in den Lehm grub, als könnten sie so die unbekannten Männer erwürgen, die ihr den Sohn genommen hatten.
„Ich muss mit dir sprechen.“
Sie hob den Blick und sah Davin vor sich stehen. Sein ernster Gesichtsausdruck konnte nur schlimme Nachricht bedeuten. „Was ist?“
„Noch mehr Überfälle. Vater schickte Männer aus, um zu erkunden, was geschehen ist. Es können wieder die Nordmänner sein.“ Iseult ließ den Lehmklumpen fallen und griff nach einem Tuch, um sich die Hände abzutrocknen. Vermutlich müsste sie jetzt Angst haben. Doch das, was sie über die Lochlannachs gehört hatte, schien übertriebenen Märchen zu gleichen, ausgeschmückt, damit sie eine gute Geschichte ergaben.
„Woher weißt du, dass sie es sind?“
„Wir kennen doch ihre Schiffe“, erinnerte er sie. „Und aus diesem Grund möchte ich nicht, dass du noch einmal den Ringwall verlässt. Nicht bevor wir wissen, was da geschieht.“
Hierbleiben? Iseult lehnte den Gedanken ab. Nachdem ihre gestrige Suche fehlgeschlagen war, würde sie weiter umherreiten müssen. „Ich werde beginnen, im Landesinnern zu suchen“, sagte sie. „Auf der Halbinsel hat keiner Aidan gesehen. Es ist an der Zeit, es woanders zu versuchen.“ In einer Reise, die sie von der Küste wegführte, sah Iseult keine Gefahr.
Sie mochte einige Tage dauern, aber sie konnte Proviant mitnehmen. Und sie konnte wieder mit verschiedenen Stämmen sprechen, diesmal mit neuen Stämmen.
Davin schüttelte den Kopf. „Nur wenn wir beschlossen haben, dass die Gegend sicher ist. Warte noch einige Wochen, dann werde ich auch mit dir gehen. Nach unserer Hochzeit.“
Iseult wollte sich auf das Versprechen nicht einlassen.„Es ist nun schon ein Jahr her, Davin. Wenn ich zu lange warte, werde ich Aidan gar nicht mehr erkennen. Ich kann mich jetzt schon kaum mehr an sein Gesicht erinnern.“ Der vertraute Schmerz über den Verlust war eine stete Qual, vermischt mit den eigenen Schuldgefühlen, ihn nicht besser beschützt zu haben.
„Ich weiß, dass du ihn nie vergessen wirst“, sagte Davin und strich ihr übers Haar. „Aber vielleicht ist es an der Zeit, loszulassen.“
„Du verlangst von mir, dass ich meinen Sohn aufgeben soll?“ Der Gedanke traf sie wie ein Messer, das sich ihr ins Herz bohrte. Wie konnte er so etwas auch nur denken?
„Es schmerzt dich, und ich will dich nicht länger leiden sehen.“ Er legte ihr die Arme um die Taille und streichelte ihren Rücken.
Iseult gab ihm keine Antwort. Mit einem Seufzer ließ er sie los. „Einer der Ringwälle nahe der Küste wurde angegriffen. Ich muss aufbrechen. Wir müssen sichergehen, dass die Eindringlinge nicht in unsere Nähe gelangen.“
„Wie du willst“, sagte sie. Großer Zorn war ihrer Stimme deutlich anzuhören. Sie spürte sein Zögern, denn es ging hier um das
Weitere Kostenlose Bücher