Ihr stolzer Sklave
Kind eines anderen Mannes, auch wenn Davin das niemals laut sagen würde.
„Dann also bis später.“ Die Lüge kam ihr leicht über die Lippen. Innerlich war sie jedoch fest entschlossen, weiterzusuchen. Sie würde warten, bis Davin fort war, und dann nach Osten reiten, näher an Trà Li heran. Der Gedanke, allein zu reiten, gefiel ihr zwar nicht, aber keiner der anderen würde ihr helfen. Wie Davin waren auch sie der Meinung, Iseult sollte aufgeben.
„Komm und nimm heute zusammen mit meiner Familie das Abendmahl ein“, drängte Davin.
Iseult fürchtete den Gedanken, am Tisch des Häuptlings sitzen zu müssen. Wann immer es möglich war, vermied sie es. Aber sie durfte die Familie auch nicht durch eine Ablehnung beleidigen.
„Du solltest dich jetzt aufmachen und zu Kieran gehen“, sagte Davin und küsste sie. „Vergewissere dich, ob er begonnen hat, dein Bildnis zu schnitzen.“
„Woher weißt du, ob er überhaupt Talent hat? Ich habe ihn noch nicht dabei beobachten können, wie er mit einem Messer ein Stück Holz bearbeitet.“ Es missfiel ihr, ein Objekt zu sein, das man prüfender Blicke unterzog, besonders dann, wenn sie von diesem Sklaven kamen. Er war unberechenbar, wild und überhaupt nicht demütig.
„Du solltest das hier sehen.“ Davin griff in eine Falte seines Mantels und zog die geschnitzte Holzfigur eines Jungen hervor. Iseult hielt sie in der Hand und war betroffen von dem ausdrucksvollen Gesicht.
Die
Miene
der
kleinen
Gestalt
drückte
das
Staunen
eines
Heranwachsenden aus, verbunden mit einer Spur von Übermut. Während sie mit dem Daumen über die Skulptur strich, verstand sie, was Davin darin gesehen hatte. Diese Schnitzerei hier war von einem Meister gefertigt worden. „War das sein Bruder?“, fragte sie.
„Das ist gut möglich. Er will sie wiederhaben, und ich habe es ihm im Gegenzug für dein Abbild versprochen. Wenn er die Brauttruhe zu meiner Zufriedenheit fertigstellt, schenke ich ihm die Freiheit.“ Sie gab ihm die geschnitzte Figur zurück. Wie konnte ein Mann mit so viel Hass im Herzen so etwas Schönes schaffen? In Gedanken versunken, nahm sie kaum wahr, dass Davin davonging.
Eine Stunde später stand sie vor der Tür des Holzschnitzers.
Kieran spürte Iseults Gegenwart, noch bevor er von seiner Arbeit aufsah.
Wie ein Frühlingshauch umgab sie ein leichter Blumenduft. Die Nähe dieser Frau ließ ihn gereizt reagieren.
Aber sie war mit seinem Herrn verlobt und deshalb unerreichbar für ihn.
Zumindest bot das einen Grund, ihre unwillkommene Wirkung auf ihn zu ignorieren.
„Davin trug mir auf, nachzusehen, ob du mit dem Schnitzen begonnen hast“, sagte sie, während sie über die Türschwelle schritt, ohne zu warten, dass er sie dazu aufforderte.
Das war ihr gutes Recht. Er war ein Sklave, und schon bald, nach ihrer Heirat mit Davin, würde sie seine Herrin sein. Als sie jetzt in seine Privatsphäre eindrang, begann seine Haut zu prickeln. Er zog es vor, allein zu arbeiten.
Kieran ließ den Hohlmeißel sinken und warf einen Blick auf sie. Beim Allmächtigen, sie war wirklich ein erlesenes Geschöpf. Noch der schwächste Schein des Feuers ließ ihr helles, goldblondes Haar schimmern. Es reichte ihr bis zur Taille und wurde von einem einzigen Kamm aus dem Gesicht gehalten. Ein Klecks Lehm klebte an ihrer Wange, und an ihren Handgelenken konnte er noch Spuren des Tons sehen, die sie versucht hatte abzureiben.
In Gedanken stellte er sich vor, wie ihre schlanken Finger dieses Material zu verschlungenen Schnüren formten. Eine unerwartete Hitzewelle stieg in ihm auf bei der Vorstellung, wie diese Finger über den Körper eines Mannes strichen. Er wusste nicht, wieso ihm dieser Gedanke gekommen war, aber sein Körper reagierte auf ihre Nähe.
„Ja, ich habe mit der Arbeit angefangen.“ Er bedeckte die Schnitzerei mit einem Tuch und reckte seine Hände. Die ersten Umrisse waren gut, aber noch hatte er nicht ihr Wesen eingefangen. „War das alles, was du wolltest?“
Vielleicht würde sie jetzt wieder gehen. Aber nein. Sie setzte sich auf einen der Baumstümpfe. Die Hände über dem Knie gekreuzt, fügte sie hinzu: „Ich mag nicht hier sein. Aber ich vermute, du musst deine Zeichnung beenden.“
Ihre Ehrlichkeit störte ihn nicht. Er zog Gespräche vor, die geradeheraus waren, und auch Frauen, die ihre Meinung sagten. „Ich kann von mir ebenfalls nicht behaupten,
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