Ihr stolzer Sklave
als wäre sie nicht da. Er saß auf der Bank und ließ sein Messer über die Schnitzerei gleiten. Winzige Späne flogen in die Luft, und der frische Duft nach Eibenholz füllte die Hütte.
„Ich bleibe nicht lange“, versprach Iseult. Sie wusste nicht so recht, wie sie ihn wegen der Sklavenmärkte befragen sollte, ohne schlimme Erinnerungen bei ihm zu wecken. Gewiss war es für ihn eine barbarische, äußerst demütigende Erfahrung gewesen.
„Was willst du?“ Seiner Stimme war anzuhören, dass es ihm missfiel, bei der Arbeit unterbrochen zu werden.
Im goldenen Feuerschein sah sie weiße Narben an seinen Fingern. Das waren die Hände eines Arbeiters, keines Edelmannes. Hände wie die ihres Vaters.
Das Herz wurde ihr weich, als sie an ihren Vater dachte und daran, wie sehr sie ihn vermisste. Rory war ein Mann wie ein Bär, der oft lachte und sie fest in seine Arme schloss. Manchmal, wenn er in seiner Schmiede arbeitete, hatte er aus kleinen Eisenstücken Ringe für sie gemacht. Als kleines Mädchen hatte sie so getan, als wären sie aus Silber und mit kostbaren Steinen geschmückt.
„Iseult?“ Kierans Stimme klang ungeduldig.
Sie biss sich auf die Lippen. Sie befürchtete, dass er gar keine Informationen für sie haben würde. „Ich wollte … dich etwas über die Sklavenmärkte fragen“, gestand sie schließlich. Ihr Herz schlug schneller, und sie rieb sich die Schultern, um sich aufzuwärmen. „Gab es dort auch Kinder?“
„Viele.“ Zorn malte sich auf seinem Gesicht ab. Wut über diese Ungerechtigkeit loderte in seinen Augen. „Manche waren nur ein paar Tage alt, wenn ihre Mütter sie in Gefangenschaft zur Welt bringen mussten.“ Zum ersten Mal ließ er das Messer sinken und sah sie grimmig an. „Hast du vor, ein Kind zu kaufen?“
„Nein!“ Allein der Gedanke daran entsetzte sie. Wie konnte er ihr nur diese Kälte und Gefühllosigkeit zutrauen? Auch wenn sie wusste, dass Verzweiflung die Familien manchmal zu so etwas trieb, konnte sie sich nicht vorstellen, ein Kind um des Geldes willen zu verkaufen.
Kieran drängte sie nicht, sondern wartete ruhig, dass sie fortfuhr. Er griff wieder nach seinem Messer. Iseult sah zu, wie die Klinge sich ins Holz grub und Schicht um Schicht entfernte. Es verwirrte sie etwas zu sehen, wie nach und nach ihr Gesicht aus dem Holz hervortrat. Nicht das Gesicht des sorglosen Mädchens von einst, sondern das müde Gesicht einer Frau.
„Ich möchte … ein ganz bestimmtes Kind finden“, sagte sie nach einer Weile. „Einen Jungen, ungefähr zwei Jahre alt. Mit dunklen Haaren und tiefblauen Augen. Sein Name ist Aidan.“
„Ich sah mindestens ein Dutzend Jungen, auf die diese Beschreibung zutrifft. Überall in Éireann.“ Auch wenn seine Stimme gleichgültig klang, betrachtete er Iseult jetzt mit nachdenklichem Blick. Sie hatte Angst, dass er Fragen stellen könnte. Doch Kieran behielt seine Neugierde für sich.
Ihre Hoffnung schwand, und sie ließ den Kopf sinken. „Ich danke dir trotzdem.“ Sie nahm den Korb mit Essen wieder an sich, doch dann zögerte sie einen Augenblick. Immer noch trug er keine Tunika. Seine nackte Haut schien ihn nicht zu bekümmern. Obwohl sie ihm die Speisen geben wollte, die sie für ihn mitgebracht hatte, wurde sie rot bei dem Gedanken, sich ihm zu nähern.
Sei keine Närrin, er wird dir schon nichts tun, schalt sie sich. Immerhin stellte sie den Korb auf den Tisch. Dann wich sie zurück, als würde der Tisch in Flammen stehen. „Ich bringe dir etwas von dem Wild. Ich glaube nicht, dass Neasa dir viel zu essen gab.“
Er hielt in seiner Arbeit inne und musterte den Korb voller Interesse. „Sie bot mir Brot und ein wenig Met an.“
Iseult wagte ein Lächeln. „Dann muss sie dich mögen. Die meisten Sklaven bekommen nur Wasser und Gemüse.“
Warum nur plapperte sie daher wie ein kleines Mädchen? Wie eine Närrin ohne Verstand ließ sie ihrer Zunge ihren Lauf.
Kierans Augen leuchteten auf, als er die Mahlzeit sah, die sie ihm mitgebracht hatte. Er nahm ein Stück Wild und begann es langsam zu essen. Er genoss das Fleisch, als hätte er so etwas schon lange nicht mehr zu sich genommen. Iseult bemühte sich, ihm weder auf den Mund zu sehen noch die Bewegungen seiner Hände zu beachten.
„Hast du es ihr gestohlen?“, fragte er leichthin.
„Ich half nach dem Mahl beim Aufräumen“, sagte sie. „Ich fragte, ob ich etwas von dem Essen mit nach Hause nehmen
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