Ihr stolzer Sklave
dürfte, und sie erlaubte es mir.“
„Du lebst nicht bei ihnen?“
Iseult unterdrückte ein Schaudern.
„Noch nicht.“ Gegen ihren Willen kam sie nicht gegen die Furcht an, die sie bei dem Gedanken überfiel, die Hütte mit Neasa teilen zu müssen. „Ich wohne bei meiner Freundin Muirne.“
Kieran schob ihr den Korb hin. Es war eine stumme Einladung, das Essen mit ihm zu teilen. Iseult hob den Krug mit dem Met heraus. Im hinteren Teil der Hütte fand sie zwei Becher. Nachdem sie ihnen beiden eingeschenkt hatte, fügte sie hinzu: „Vielleicht hätte Neasa es mir nicht gegeben, wenn sie gewusst hätte, dass ich es hierherbringe.“
Der süße Met wärmte sie. Sie wusste, dass sie besser gehen sollte.
Stattdessen beobachtete sie Kieran. Seine Hand strich über den Rand des Bechers, bevor er daraus trank. Seine Haut schimmerte im matten Licht der Feuerstelle.
Er setzte den Becher ab und erhob sich. Jetzt, wo er so nahe neben ihr stand, konnte sie fast die Wärme seiner Haut spüren. Und sie fragte sich, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sie ihn berührte, wenn sie mit der Hand über seine breiten, festen Schultern streichen würde.
Sie bemerkte, wie ihr Hals von Schweiß überzogen wurde, und vorsichtig trat sie einen Schritt zurück. Heilige Brigid, sie war dabei, den Verstand zu verlieren.
„Du solltest nicht wiederkommen, Iseult.“ Kieran verschränkte die Arme.
Doch trotz seiner Worte sah er sie mit verzehrendem Blick an. Iseult schlang die Hände so fest ineinander, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Dieser Mann hätte ihr Angst einjagen müssen. Stattdessen faszinierte er sie. In diesem Augenblick sehnte sie sich danach, seine Haut auf der ihren zu spüren und zu erleben, wie erregend sein Kuss sein mochte.
Ihr Verstand erhob Einspruch und sagte ihr, wie falsch es war, sich das auch nur vorzustellen. „Ich kam nur, um dich wegen meines – des Jungen zu fragen“, stellte sie richtig. Und errötete dabei noch mehr.
„Und das ist alles?“
„Natürlich ist das alles.“ Glaubte er denn, sie wäre erschienen, um ihn zu sehen? Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben. „Wenn du keine Antworten für mich hast, werde ich jetzt gehen.“
Sie nahm den leeren Korb, doch Kieran fasste sie beim Handgelenk. „Er ist dein Sohn, nicht wahr?“
Ihr Hals war wie zugeschnürt, doch sie brachte ein Nicken zustande. Du darfst jetzt nicht weinen.
„Wieso hilft Davin dir nicht?“ Er lockerte seinen Griff, aber er ließ sie nicht los. Iseult kämpfte gegen das Bedürfnis an, ihm die Hand zu entreißen. Sie hatte keine Angst vor ihm, allein ihr Körper reagierte auf seine Berührung.
„Aidan ist nicht sein Sohn.“ Obwohl Davin behauptet hatte, er würde ihr helfen, ihren Sohn zu finden, veranlasste er nie irgendeine Suchaktion.
Sein einziger Beitrag war, sie auf ihren Ausritten über Land zu begleiten.
Und da jetzt Gefahr durch die Plünderer drohte, würde er selbst das nicht mehr tun.
Kieran streichelte mit dem Daumen sanft das Innere ihres Handgelenks.
Es war ein stummes Zeichen des Mitgefühls. Und es ließ Iseults mühsame aufrechterhaltene Beherrschung vollends zusammenbrechen. Die Tränen rannen ihr über das Gesicht.
„Gute Nacht.“ Sie verließ die Hütte, lief zur gegenüberliegenden Seite der Palisade und tauchte dort im Schatten unter. Sich auf den Boden kauernd, umschlang sie ihre Knie und weinte bitterlich.
Trotzdem Iseult glauben wollte, dass sie Aidan irgendwie schon finden würde, befürchtete sie langsam das Schlimmste. Dass sie ihn nämlich für immer verloren hatte.
Das Sonnenlicht blendete Kierans Augen. Seine Muskeln waren verkrampft und steif. Er war die restliche Nacht wach geblieben und hatte die Schnitzerei beendet. Iseults Enthüllung war der Anstoß gewesen, um das Bildnis fertigzustellen. Ihre Traurigkeit war nicht die einer widerstrebenden Braut – nein, Iseult war eine trauernde Mutter. Das erklärte die Sorge in ihrem Gesicht und auch ihren Zorn.
Er legte die Schnitzerei beiseite und wandte sich dem verglühenden Torffeuer zu. Seine Tunika war jetzt trocken, und er warf sie sich über. Die Wolle war noch warm von der Hitze der Flammen. Wie es wohl eine Ehefrau nicht anders getan hätte, so hatte Iseult sie gestern Abend vor das Feuer ausgebreitet. Die Geste verblüffte ihn. Er hatte ihre gespielte Unerschrockenheit durchschaut und das Zittern gesehen, das sie vor ihm zu
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