Ihr stolzer Sklave
haben, nicht Davin. Ob sie ihm während der ganzen letzten Tage Essen gebracht hatte?
Er wusste nicht, wieso ihn das störte. Als Davins zukünftige Frau war es vielleicht ihre Aufgabe, für dessen Sklaven zu sorgen. Unwillkürlich musste er daran denken, wie sie ihn gestern Abend um Auskunft gebeten hatte. Er glaubte nicht, dass er ihr helfen konnte. Auf den Sklavenmärkten hatte er genauso viele Kinder wie Erwachsene gesehen. Einen bestimmten Jungen zu finden würde unmöglich sein.
Genug. Er verdrängte Iseult aus seinen Gedanken. Es war an der Zeit, Davin die Schnitzerei zu geben und jeden Kontakt zu ihr abzubrechen. Er steckte das hölzerne Bildnis in eine Falte seiner Tunika und machte sich auf den Weg zu Davins Hütte.
Jenseits der Palisaden sah er in einiger Entfernung eine kleine Kapelle aus Stein. Dahinter war die dunkle, schwere Erde gepflügt und bereit, bestellt zu werden. Er konnte sich vorstellen, wie die grünen Keimlinge aus der Erde sprießen würden.
Um ihn herum erinnerte ihn der Lärm der Menschen an das, was er während der vergangenen Monde vermisst hatte. Kinder jagten lachend einem Hund hinterher. Da war das Knistern und der Geruch der Torffeuer und das Meckern der Ziegen in ihren Pferchen, die zum Melken zusammengetrieben wurden. Es waren vertraute Geräusche, Geräusche, die ihm sein Zuhause wieder lebendig machten. Kieran beachtete den plötzlichen Schmerz in seinem Herzen nicht.
Neasa, das lange schwarze Haar unter einer festen, leinenen Kopfbedeckung verborgen, entdeckte ihn. Sie wischte sich die Hände an ihrem brat ab und hob die Hand. „He, du da, Davins Sklave! Ich brauche dich. Du gehst heute Morgen zu den Schafen und kümmerst dich um sie.“ Kieran beachtete ihren Befehl nicht und hielt Ausschau nach Davin.
„Hast du nicht gehört, was ich sagte?“, fragte Neasa, die Hände in die Hüften gestemmt.
„Ich habe dich vernommen. Aber ich bin beauftragt, deinem Sohn Davin etwas zu überbringen.“ Ohne weiter auf sie zu achten, ging er an ihr vorbei.
„Ich weiß, wo er ist“, rief jemand hinter ihm her. Orin kam angelaufen und fügte hinzu: „Ich bringe dich hin.“ Er warf einen Blick auf seine Pflegemutter und setzte sich schnell wieder in Bewegung, um von ihr nicht aufgehalten zu werden. Kieran vermutete, dass der junge Mann darauf brannte, seine Pflegeeltern zu verlassen.
Neasa gab sich keine Mühe, ihre Verärgerung zu verbergen. Sie brummelte vor sich hin, während die beiden sich rasch entfernten. Orin führte Kieran aus dem Ringwall hinaus und deutete schließlich auf eine Gruppe Männer zu Pferde. „Dort ist er.“
Kieran hob die Hand, um seine Augen vor dem Gegenlicht zu schützen.
Er erkannte Davin auf einem schwarzbraunen Wallach. „Wohin reiten sie?“
„Er spricht mit den Auskundschaftern, die er vor ein paar Tagen aussandte. Sie machten sich auf den Weg zur Küste, um die Lochlannachs aufzuspüren.“ Kieran straffte die Schultern. Mit den Nordmännern und Dänen hatte er selbst noch eine Rechnung offen. Wie ein Schlag in die Magengrube trafen ihn die Erinnerungen. Er sah wieder die Hand vor sich, die die Klinge über Egans Kehle zog. Er würde Rache üben an den Plünderern. Aber nichts würde ihm den Bruder zurückbringen. „Was wollen sie?“
Orin zuckte die Achseln. „Land. Gut und Geld. Unsere Frauen, vermute ich.“
Der Preis von Eroberungen. Kieran ballte die Fäuste, während er Orin folgte, der sich nun zu den anderen begab. Einer der Boten berichtete soeben von seinen Entdeckungen.
„Es ist eine kleine Truppe, vielleicht dreißig Männer“, meinte der Mann.
„Ihr Schiff ankert nahe Baile na nGall. Sie haben außerhalb der Ruinen ein provisorisches Lager aufgebaut.“
„Irgendwelche Überlebende aus der Gegend?“, fragte Davin.
„Wenn es welche gab, sind sie geflüchtet. Wir hielten uns von den Nordmännern fern und beobachteten sie nur. Es sieht aus, als beabsichtigten sie, weiter ins Innere vorzustoßen. Als wir zurückkehrten, waren sie dabei, noch mehr Vorräte einzusammeln.“
„Wie viele Pferde haben sie?“, fragte Kieran.
Erstaunt wandten die Männer ihm die Gesichter zu. Anscheinend waren sie es nicht gewohnt, dass Sklaven das Wort ergriffen. Kieran war das egal.
Die Anzahl der Pferde würde erkennen lassen, wie viele hochrangige Soldaten unter ihnen waren. Der Bote sah zu Davin hin, welcher nickte. „Es waren fünf.“
Fünf Männer – das
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