Ihr stolzer Sklave
„Dann komm herein.“ Muirne öffnete die Tür und zwinkerte ihm zu.
„Schade, dass du ein Sklave bist. Du bist ein ganz Hübscher, Kieran.“ Bei ihren Worten musste Kieran verblüfft blinzeln, und Iseult hätte beinahe laut gelacht. Das geschah ihm ganz recht. Verlegen errötend, betrat er Muirnes Hütte. Glendon und Bartley, die beiden Jungen, jagten einander in dem kleinen Raum. Muirnes Ehemann Hagen packte sie schließlich an ihren Tuniken und setzte sie neben dem niedrigen Tisch auf den Boden.
Muirne goss Wasser in eine Schüssel und reichte es Kieran, zusammen mit einem Stück Seife. „Wascht euch, ihr beiden. Ihr lasst mein Heim auch schon so genug nach Fisch riechen.“
Kieran bedeutete Iseult, als Erste die Schüssel zu benutzen. Sie reinigte sich Hände und Gesicht, leerte das schmutzige Wasser aus und füllte dann die Schüssel erneut für Kieran. Er starrte einen Augenblick lang auf das Wasser, bevor er die Hände eintauchte und sie gründlich einseifte.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. „Ich dachte nur daran, wie lange es schon her ist, dass ich Seife hatte.“
„Wie hast du denn zuvor gebadet?“ Er roch nicht schlecht, aber bis jetzt hatte sie darüber nicht nachgedacht.
„Meist in kalten Flüssen, und ich benutzte Sand. Manchmal ging ich auch ins Meer.“
Iseult zuckte zusammen, als sie an seine Wunden denken musste. Der Kontakt mit dem salzigen Wasser musste äußerst schmerzhaft gewesen sein. „Unter den Habseligkeiten von Seamus ist bestimmt auch eine Schüssel. Wenn du willst, bringe ich dir etwas Seife.“
„Danke“, sagte er leise und brachte das Behältnis mit dem Schmutzwasser nach draußen, um es auszuleeren.
Auch wenn Kieran während der Mahlzeit wenig sprach, aß er doch ziemlich gut. Muirne sorgte dafür, dass seine Schüssel gefüllt blieb, stellte unentwegt Fragen und plapperte, ohne Luft zu holen. Während des ganzen Essens zeigte Hagen eine belustigte Miene. Doch gelegentlich warf er den Jungen warnende Blicke zu, weil sie ihre Mutter unterbrachen.
„Wie kam es, dass du ein Sklave wurdest?“, fragte Muirne schließlich. „An deinem Betragen kann ich deutlich erkennen, dass du einmal ein freier Mann warst. Hat man dich gefangen genommen?“
Iseult war sich sicher, dass er diese Frage nie beantworten würde.
„Nein, ich wurde nicht gefangen genommen.“ Kieran sprach ganz ruhig, während er seine Aufmerksamkeit auf sein Essen richtete.
Auf Muirnes Gesicht zeichnete sich Entsetzen ab. „Ach du armer Kerl. Ich habe Ähnliches schon vermutet, so stark wie du aussiehst. Keiner sollte seine Freiheit auf diese Weise verlieren. Es tut mir so leid, von diesem Beschluss deiner Familie zu hören.“
Iseult runzelte die Stirn. „Von welchem Beschluss?“ Muirne seufzte und schöpfte noch einen Löffel Kompott in Kierans Schüssel. „Das ist doch ganz klar, oder nicht? Seine Familie verkaufte ihn in die Sklaverei.“
Kieran lächelte gezwungen. „Nein. Sie haben mich nicht verkauft. Ich verkaufte mich selbst.“ Er stand auf und dankte Muirne für das Mahl.
„Verzeih mir, aber ich habe noch zu arbeiten.“
Sekunden später war er fort. Iseult starrte zu Muirne hinüber, die genauso erschrocken dreinsah, wie sie sich fühlte. „Heilige Jungfrau!“ Muirne griff nach Kierans Schüssel „Ich kann es nicht fassen.“
Noch konnte es Iseult. Warum sollte ein Mann freiwillig seine Freiheit aufgeben? Welchen Gewinn mochte er daraus ziehen?
„Nun, das ist mal ein wahrer Edelmann.“ Wieder seufzte Muirne wie ein verliebtes Mädchen. „Wahrscheinlich gab er den Erlös seiner Familie.“ Iseult half ihr beim Abräumen des Tisches. Sie wollte das alles nicht so ganz glauben. Hinter Kierans Geschichte steckte weit mehr als nur das.
Draußen nahm sie die noch übrig gebliebenen Fische aus, bis ihr die Augen zufielen und die Finger wund waren. Mehr als einmal schnitt sie sich mit dem Messer in die Haut. Aber da Muirne ihr beim Ausnehmen half, dauerte es nicht so lange, wie sie befürchtet hatte.
Iseult stellte drei wasserdichte Körbe nebeneinander und verteilte die Anteile eines jeden darauf. Die Fische, die Kieran beim Abendmahl gegessen hatte, zog sie von der Menge ab. Zuletzt füllte sie jeden der Körbe mit Salzlake, um den Fisch zu konservieren, bis er am nächsten Morgen geräuchert werden konnte.
Müde ging sie zu einem Wassertrog und spülte sich die Hände
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