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Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Hagen
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dreihundert Gramm, die es wog.
    Den Glasbehälter stellte er in den Wärmeschrank und schloss ihn.
    Die Temperatur würde den Ether und das verbleibende Xylen verdampfen lassen und dabei das Paraffin in die Gewebefasern ziehen. Das würde einige Zeit in Anspruch nehmen; doch das störte ihn nicht.
    Er hatte es nicht eilig.
    Natürlich gab es inzwischen wesentlich simplere Möglichkeiten der Konservierung– aber keinen Grund, mit der Tradition zu brechen. Denn Tradition war es, worum es hier ging. Zumindest in einem gewissen Maß.
    Er trat hinüber zu einem anderen Teil der Werkbank, wo er die Pistole abgelegt hatte. Mit versierten Fingern zerlegte er sie in ihre Einzelteile und reinigte sie sorgfältig. Als er damit fertig war, wickelte er die einzelnen Teile in Öltücher, packte sie vorsichtig in einen alten Holzkoffer mit Riegelschloss und stellte ihn weit hinten unter die Werkbank.
    Kein Mensch würde jemals auf die Idee kommen, die Waffe hier zu suchen.
    Er ging zu dem alten Porzellanwaschbecken, drehte den quietschenden Wasserhahn auf und wusch sich sorgfältig die Hände mit Kernseife. Nachdem er sie gründlich abgetrocknet hatte, öffnete er den Wärmeschrank, holte den Glasbehälter heraus und stellte ihn zum Abkühlen auf einen Tisch. Fast augenblicklich begann das Wachs auszuhärten.
    Die Arbeit war vollbracht.
    Für dieses Mal.
    Jetzt konnte er sich wieder seiner Trauer hingeben.

6
    Staatsanwaltschaft Wiesbaden.
    Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ist vor Kurzem umgezogen in eines dieser modernen schmucklosen Bürogebäude in der Mainzer Straße im Südosten der Stadt– umgeben von schon seit Langem heruntergekommenen Berufsschulen, den Niederlassungen der beiden bekannten Burger-Ketten, zwei Autohändlern, einem Fitnessstudio und dem Crazy Sexy, dem einzigen Puff der Stadt, gerade mal so groß wie ein durchschnittlicher Kontakthof auf der Reeperbahn.
    Inga Jäger runzelte ungehalten die Stirn, als sie merkte, dass sie, all ihren guten Vorsätzen zum Trotz, schon wieder an ihre alte Heimat denken musste. Sie war mit dem festen Entschluss hierhergekommen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, also musste sie sich künftig besser und stärker darauf konzentrieren, genau das auch zu tun und nicht immer wieder bewusst oder unbewusst Vergleiche mit Hamburg anzustellen.
    Sie parkte ihren Mercedes auf dem für sie reservierten Platz im Rücken des Gebäudes, stieg aus und betrat den hässlichen Klotz durch den Hintereingang. Sie empfand die Umgebung aus poliertem Granit und Edelstahl als schrecklich kühl und wenig willkommen heißend.
    Während sie mit dem Aufzug in den dritten Stock fuhr, ließ sie in Gedanken die Ereignisse und Zwischenergebnisse des Vormittags Revue passieren.
    Wie immer tat sie das in Stichworten:
    Weibliche Leiche.
    Fundort: Weinberg – nahe Waldrand.
    Todesursache: ungeklärt.
    ZdT – Zeitpunkt des Todes: 22:30 – 01:30 Uhr
    Identität: unbekannt – Vorname vermutlich Sieglinde.
    Teure Kleidung.
    Herz fehlt.
    Oben angekommen verließ Inga Jäger die Liftkabine und ging den Flur entlang bis zum Vorzimmer ihres neuen Büros, das sie ohne anzuklopfen betrat.
    Rike Wiedemann, ihre Sekretärin, schaute von ihrer Arbeit am Computer auf, und Inga Jäger erkannte im Blick der tadellos auf Schreibtischtäterin gestylten Mittvierzigerin nicht zum ersten Mal eine nur unzulänglich verborgene Feindseligkeit.
    Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen, war einer von Inga Jägers Leitsprüchen– weil sie, wie die meisten anderen Menschen auch, von Natur aus eher bequem war und doch zugleich aus Erfahrung wusste, wie schmerzhaft es oft werden kann, wenn man sich dieser Bequemlichkeit zu intensiv hingibt und unangenehmen Dingen zu lange ausweicht.
    Ohne den Mantel oder ihre eher einem Aktenkoffer gleichende Handtasche abzulegen, ließ sie sich in einen der zwei großen kunstledernen Besuchersessel fallen.
    » Sie sind gefeuert«, sagte sie mit nüchternem Tonfall, während sie die Finger vor dem Bauch verschränkte und lässig die Beine übereinanderschlug und musste sich eingestehen, dass sie den Augenblick genoss, in dem Rike Wiedemanns Gesicht jegliche Farbe verlor und ihr die Züge entgleisten.
    » Das ist ein Satz, den keiner gern hört«, fuhr sie dann aber schnell fort. » Sehen Sie das ähnlich?«
    Rike Wiedemann schaute sie von unter perfekt getuschten und jetzt leicht flackernden Wimpern hervor irritiert an wie ein Kaninchen, das gerade entdeckt hat, dass eine

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