Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
leidet«, sagte sie vorwurfsvoll.
» So ein Quatsch!«, entgegnete Gebert und bedachte ihre Hand an seinem Arm mit einem Blick, der sie dazu veranlasste, sie augenblicklich zurückzuziehen. » Elli leidet nicht. Sie hat nun mal Asperger, na und? Genau das macht sie ja zu dem klügsten Menschen, den ich kenne. Oder glauben Sie, das LKA setzt jemanden nur wegen der Behindertenquote auf einen derart kritischen Posten? Im Übrigen scheiden sich die Geister, ob Asperger wirklich eine Behinderung ist oder nur eine Abweichung von der Norm. Die meisten Asperger-Autisten sind hochbegabt und uns Normalsterblichen besonders in Sachen Wahrnehmung, Analysefähigkeit und Gedächtnis haushoch überlegen. Das nennt man Inselbegabung. Und Elli hat davon eine gewaltige Portion. Da pfeife ich doch auf das Fehlen von sogenannten Social Skills und Umgangsformen. Das Einzige, was Sie nicht tun dürfen, ist, sie mit Samthandschuhen anzufassen. Schon gar nicht unsere Elli. Dann tanzt sie Ihnen auf der Nase herum– und zwar Polka, falls Sie schon alt genug sind, noch zu wissen, was das ist. Kommen Sie.«
Nach diesem für seine Verhältnisse schon beinahe leidenschaftlichen Vortrag ging er voran, und Inga Jäger folgte ihm.
» Haben Sie gerade durch die Blume andeuten wollen, ich wäre doch zu jung für den Job?«
» Unsinn! Würde ich niemals tun. Ich habe nur in Betracht gezogen, dass Sie vielleicht zu jung sind, um zu wissen, was eine Polka ist. Im Grunde war das so etwas wie ein Kompliment.«
» Ich weiß, was eine Polka ist.«
» Hm. Dann ist mir das mit dem Kompliment wohl nicht geglückt.«
Auf der anderen Seite der Tür fanden sie Elli Falkenstein an einem Gerätepult vor, das in seinem Aufbau stark an eine riesige Kirchenorgel erinnerte, nur dass die Tastaturen hier mindestens ein halbes Dutzend Computerkeyboards auf verschiedenen Ebenen waren und statt der Orgelpfeifen fast zwanzig kleine und große LCD -Flatscreen-Monitore an der Wand dahinter hingen.
Die Kriminaltechnikerin deutete auf den größten Monitor im Zentrum der Wand. Darauf war ein rechteckiges, flaches Objekt abgebildet. Es war durchlöchert und an unzähligen Stellen geknickt.
» Das ist der Ausweis der Toten«, erklärte Elli. » Oder vielmehr das, was davon noch übrig ist, nachdem der Vollernter darüber gefahren ist. Die Schrift und die Daten… alles unkenntlich. Vielleicht rekonstruierbar. Vielleicht. Weiß nur noch nicht genau, wie. Zu viel Blut, Regen, Kratzer, Knicke. Oh, ich hasse Puzzle. Hasse, hasse, hasse sie.«
Inga Jäger schaute Gebert irritiert an. Eine Kriminaltechnikerin, die Puzzle hasste?
Gebert zuckte mit den breiten Schultern und flüsterte: » So sehr, dass sie jedes löst.«
» Muss noch ein paar Untersuchungen machen«, fuhr Elli unbeirrt fort. » UV und Infrarot habe ich schon versucht. Waren negativ. Alles andere wird dauern.«
» Was ist mit der Nummer?«, fragte Inga Jäger.
» Verflucht schlaues Mädchen, unsere neue Oberstaatsanwältin«, erwiderte Elli mit zynischem Ton in Richtung Gebert. » Hab ich nicht gesagt, alles unkenntlich? Das habe ich doch gesagt, oder habe ich nicht?« Ihre nervösen Augen fokussierten Inga Jäger und nahmen einen herausfordernden Glanz an. » Habe ich?«
» Ja«, gab Inga Jäger zu und hielt dem flatternden Blick stand. » Haben Sie.«
» Gut. Also, wenn ich alles sage, habe ich damit wohl auch die Ausweisnummer gemeint. Das könnte man doch vermuten, oder? Könnte man?«
Inga Jäger ignorierte die provozierend gestellte Frage. » Was haben wir sonst noch bei der Leiche gefunden?«
» Ihre Kleidung«, sagte Elli und deutete auf einen Metallkorb, in dem ein kleiner Stapel blut- und schlammverkrusteter Textilien lag. » Richtig teure Klamotten. Prada. Sowohl die Schuhe als auch das Kostüm. Dessous von Lise Charmel. Da kostet eine Garnitur so viel wie meine gesamte Weißwäsche zusammen.«
Inga Jäger verwehrte sich dagegen, sich Elli Falkensteins Weißwäsche vorzustellen.
Neben dem Korb mit der Kleidung stand ein zweiter– ein wesentlich kleinerer. Sie trat an ihn heran und schaute hinein.
Sofort war Elli an ihrer Seite, so als wolle sie ihr Territorium schützen. » Schmuck, ebenfalls teuer– Cartier klassisch. Kugelschreiber von Montblanc. Haustürschlüssel. Weit verbreitetes Schließsystem. Schwer bis gar nicht zuzuordnen.«
» Wagenschlüssel?«, fragte Inga Jäger und hörte Gebert hinter sich die Luft warnend zwischen den Zähnen einziehen.
Elli schüttelte den Kopf–
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