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Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Hagen
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und ging langsam auf Schneider und Krüger zu.
    » Die Waffen runter!«, bellte Gebert hinter ihr.
    » Bleiben Sie, wo Sie sind!«, rief Ludwig Krüger ihr entgegen. Seine Stimme war hoch und hysterisch.
    » Ich möchte nur mit Ihnen reden, Herr Krüger«, sagte sie und ging weiter auf ihn zu, darauf achtend, keine hektischen Bewegungen zu machen, die ihn vielleicht erschrecken würden. » Ich bin unbewaffnet und werde Ihnen nichts tun.«
    » Noch einen Schritt weiter, und er stirbt!«, schrie er. Seine Augen waren glasig und gerötet, das schwammige Gesicht zu einer wütenden Fratze verzerrt. Offenbar hatte er getrunken.
    » Herr Krüger…«
    » Seien Sie still!« Er drückte die Schneide der Klinge fester gegen Gunther Schneiders Kehle, und die ersten Tropfen Blut traten hervor.
    Inga Jäger blieb stehen.
    » Ist das wahr, was ich im Fernsehen gesehen habe?«, fragte er seinen früheren Schwiegervater. » Hast du den Tod deiner eigenen Tochter in Kauf genommen und mich dann zwanzig Jahre lang im Knast sitzen lassen, obwohl du genau gewusst hast, dass ich unschuldig war, und es auch hättest beweisen können?«
    » Herr Krüger!«, rief Inga Jäger und machte drei vorsichtige Schritte nach vorn. Es waren jetzt nur noch viereinhalb bis fünf Meter bis zu den beiden.
    » Ich weiß«, begann sie in verständnisvollem Tonfall, » nichts auf dieser Welt kann Ihnen Marlene zurückbringen… oder die verlorenen Jahre Ihres Lebens.«
    » Recht haben Sie«, sagte er. » Nichts kann das. Auch Sie nicht. Also bleiben Sie endlich stehen!«
    » Hören Sie«, versuchte sie es weiter. » Ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass Gunther Schneider mit aller Härte des Gesetzes bestraft wird, und für Ihre zu Unrecht in Haft verbrachte Zeit wird es wenigstens eine finanzielle Wiedergutmachung geben, das verspreche ich Ihnen.«
    Ludwig Krüger lachte spöttisch auf.
    » Wiedergutmachung?«, rief er. » Ganz abgesehen davon, dass mir, wie Sie schon richtig sagten, kein Geld der Welt meine Frau zurückgibt und mein ruiniertes Leben flicken kann, lassen Sie mich Ihnen etwas erzählen zum Thema Wiedergutmachung. Sie als Staatsanwältin kennen sich doch aus mit der Entschädigungsregelung, nicht wahr?«
    » Ja, das tue ich«, sagte sie. » Aber…«
    » Fünfundzwanzig Euro pro Tag!«, schrie er. » Fünfundzwanzig Euro! Das ist der neue, angehobene Satz bei einem Fehlurteil. Lächerlich! Und davon gehen dann auch noch sieben Euro ab für Unterkunft und Verpflegung. Ist das nicht ein Witz? Unterkunft und Verpflegung– weil man draußen ja auch hätte wohnen und essen müssen. Da bleiben dann achtzehn Euro pro Tag übrig. Können Sie das bestätigen?«
    » Ja«, sagte Inga Jäger. Sie wusste, worauf er hinauswollte, und suchte nach einem Gegenargument. Dass sie keines fand, lag daran, dass er völlig recht hatte. » Ich werde prüfen lassen, ob…«
    » Dann wollen wir doch mal rechnen«, unterbrach er sie. » Achtzehn mal 365 Tage– das macht 6570 Euro im Jahr. Und das multipliziert mit den zwanzig Jahren, die ich gesessen habe… Das sind dann 131 400 Euro. Das ist gerade mal ein Viertel, viel wahrscheinlicher sogar nur ein Achtel von dem, was mein lieber Schwiegervater hier in einem Jahr verdient hat. In einem Jahr! Also, zwanzig Jahre meines Lebens sind so viel wert wie drei Monate von seinem? Das soll auch nur ansatzweise gerecht sein? Und Ersatz für Einkommenseinbußen gibt es auch nicht. Weil man ja nicht gearbeitet hat in der Zeit, in der man für sieben Euro am Tag auf Staatskosten wohnen und essen durfte. Mal ganz abgesehen von dem Freiheitsentzug, den Demütigungen, den Einschränkungen der Grundrechte und dem Bewusstsein, dass einen jeder für einen Mörder gehalten hat. Wie wollen Sie das auch nur ansatzweise wiedergutmachen?«
    Inga Jäger öffnete den Mund, um zu sprechen, aber Ludwig Krüger fuhr unbeirrt mit seiner Anklage fort.
    » Und er?« Er deutete mit der Spitze des großen Messers auf Gunther Schneiders Brust. » Während ich erwiesenermaßen unschuldig war, ist er nachweislich schuldig. Er hat es schließlich vor der ganzen Nation gestanden, nicht wahr?«
    » Ja«, sagte Inga Jäger. » Das hat er.«
    » Aber was passiert mit ihm?«, fragte Krüger. » Er ist wohlhabend und Ende siebzig. Seine Anwälte werden den Prozess Ewigkeiten in die Länge ziehen, und befreundete Ärzte werden ihm aufgrund irgendwelcher erfundenen Wehwehchen zuerst Prozessuntauglichkeit und anschließend Haftunfähigkeit

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