Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
einmal die Hand hin. Diesmal griff sie zu und schüttelte sie.
» Und Sie, Herr Peiß«, sagte er anschließend zu dem Leitenden Staatsanwalt, » wären gut beraten, Frau Jäger in Ihrem Team willkommen zu heißen und ihr Ihr Vertrauen entgegenzubringen. Sie hat verdammt gute Instinkte, und ich weiß jetzt, warum man sie in Hamburg Die Jägerin genannt hat.«
Er drehte sich herum und ging durch das Tor nach draußen… zur Presse.
Peiß blickte sie für einen Moment lang eisig an, schnaubte dann und folgte seinem Dienstherrn.
Kommissar Gebert kam ihm entgegen, schritt aber ohne ein Wort an ihm vorbei und auf Inga Jäger zu.
» Machen Sie sich wegen ihm keinen Kopf«, sagte er. » Sie sind die Heldin der Stunde. Er kann Ihnen nichts.«
» Das werden wir noch sehen«, sagte sie leise, wohl ahnend, dass ihre Zukunft in Wiesbaden keine leichte sein würde. Aber sie war schon mit ganz anderen Dingen fertiggeworden. Und wenn der Justizminister den heutigen Skandal überstand, hatte sie wenigstens in ihm einen mächtigen Verbündeten gewonnen.
» Sie waren fabelhaft da unten«, sagte Gebert, und sie spürte, wie allein schon seine Nähe die Anspannung von ihr abfallen ließ.
» Danke«, sagte sie– und lächelte.
» Na ja…« Er grinste schief. » Zumindest ganz passabel für eine Frau.«
Sie lachte auf. » Mutig, mutig, mein Lieber. Für jemanden, der schon gegen ’ne Treppe verliert.«
» Och«, machte er gespielt empört. » Das war jetzt aber unterhalb der Gürtellinie!«
Sie tätschelte ihm den Bauch. » Nehmen Sie es nicht so tragisch. Ein paar Wochen Training mit mir, und Sie kommen wieder in Form.«
Er seufzte. » Ich fürchte, das ist Ihr Ernst.«
» Worauf Sie sich verlassen können.«
Da klingelte sein Handy. Er nahm das Gespräch entgegen und lauschte dann schweigend. Inga Jäger sah, wie sein Gesicht wieder ernst wurde.
» Was ist?«, fragte sie, nachdem er das Telefonat beendet hatte.
» Schlechte Nachrichten«, sagte er. » Emil Volz hat gerade in seiner Zelle Selbstmord begangen, nachdem er im Aufenthaltsraum die Fernsehübertragung gesehen hat.«
» Fuck«, fluchte sie und fügte flüsternd hinzu: » Das tut mir leid. Sehr sogar.«
Doch ehe sie mehr dazu sagen konnte, brach draußen vor der Mauer ein Tumult aus. Panische Rufe. Gebrüllte Befehle. Schreie.
Die beiden schauten einander für einen Sekundenbruchteil lang erschrocken an… und rannten dann gleichzeitig los.
86
Inga Jäger und Kommissar Gebert erreichten das Tor zeitgleich und stürmten nach draußen. Es war beinahe unmöglich, in dem Flut- und Blitzlichtgewitter der Journalisten und dem Blaulicht der Einsatzwagen auf Anhieb irgendetwas zu erkennen.
Rennende Silhouetten. Aber, wie Inga Jäger erkannte, rannten sie nicht vor etwas weg, sondern auf etwas zu.
Sie und Gebert folgten der Menge, kurvten links an ihr vorbei und kamen an einen Punkt, an dem ein halbes Dutzend Einsatzbeamter verzweifelt versuchte, die Presse im Zaum zu halten, während noch einmal so viele mit ihren Waffen in die genau andere Richtung zielten; darunter auch die Otto und ihre Leute, die von dem Einsatz im Tunnel zurückgekehrt waren.
Im Visier hatten sie Dr. Gunther Schneider neben einem offen stehenden Polizeiwagen– oder vielmehr den Mann, der hinter ihm stand und ihm ein großes Fleischermesser an die Kehle hielt.
Inga Jäger und Gebert umflankten die Absperrung, drängten sich an den Reportern und Uniformierten vorbei und schlossen zur Otto und den anderen zielenden Polizisten auf.
Jetzt erst konnte Inga Jäger erkennen, wer der Mann mit dem Messer war. Es war Ludwig Krüger, der alkoholkranke Topfspüler, der wegen des Mordes an seiner Frau Marlene zwanzig Jahre lang unschuldig im Gefängnis gesessen hatte.
» Es ist ihm irgendwie gelungen, sich durch die Absperrung zu schleichen und Gunther Schneiders habhaft zu werden«, informierte die Otto ihren Chef. » Er hat die Übertragung im Fernsehen gesehen.«
Gebert zog seine Pistole und zielte ebenfalls auf Krüger. » Sie gehen besser hinter die Linie zurück!«, riet er Inga Jäger, ohne seinen Blick von dem neuen Geiselnehmer zu wenden.
» Nein«, widersprach sie. » Sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen die Waffen runternehmen.«
Jetzt schaute Gebert sie doch an– so als wäre sie von allen guten Geistern verlassen. » Was haben Sie vor?«
» Ich will mit ihm reden.«
» Sie haben für heute bereits genug Heldentum an den Tag gelegt«, meinte er.
» Offenbar nicht«, entgegnete sie
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