Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
wird.«
» Dann verdanke ich Ihnen vielleicht mein Leben«, sagte er, und plötzlich lächelte er. » Darf ich Sie, als eine erste kleine Gegenleistung, zum Essen einladen?«
Seine Kessheit im Angesicht der Situation entlockte ihr ganz instinktiv und ohne dass sie sich dagegen wehren konnte einen kleinen Auflacher. » Flirten Sie etwa gerade mit mir?«
» Ich wäre bescheuert, wenn ich das nicht täte«, antwortete er mit einem Zwinkern. » Also, haben wir ein Date?«
Sie schaute ihn trotz des kurzen Lachens jetzt wieder ernst an. » Nein«, sagte sie. » Haben wir nicht, Herr Hoffmann. Und wenn Sie sich bei jemandem bedanken wollen, dann bei ihm.«
Sie zeigte auf Christoph. » Er war es, der unser Leben gerettet hat.«
» Er ist tot«, sagte Max. Das Lächeln war wieder verschwunden. » Wie soll ich mich bei ihm bedanken?«
» Sie sind Journalist«, sagte Inga Jäger. » Erzählen Sie seine Geschichte. Damit man ihn nicht ebenfalls vergisst.«
Damit drehte auch sie sich um und verließ den Raum.
85
Die frische Luft am Ausgang des Isolationsblocks vertrieb den unangenehmen Gestank von Angst und Tod aus Inga Jägers Nase. Sie hielt für einen Moment inne und atmete tief ein und aus.
Vom Mauertor aus kamen zwei Gestalten auf sie zu.
Es waren der Leitende Staatsanwalt Peiß und jemand, den sie bisher nur von Bildern her kannte: Dr. Eduard Knettenbrech, der Justizminister des Landes Hessen und damit ihr oberster Vorgesetzter. Er sah wesentlich jünger aus, als sie vermutet hätte– Ende vierzig, vielleicht Anfang fünfzig, gut eins neunzig groß, schlank, aber sportlich, und er hatte das Gesicht eines Habichts auf der Jagd.
» Frau Jäger…«, begann er.
Ehe er weitersprechen konnte, ging sie ihm entgegen und fragte schneidend: » Doktor Knettenbrech, als ermittelnde Staatsanwältin frage ich Sie: Waren Ihnen und/oder dem Leitenden Staatsanwalt Peiß die Hintergründe der Eichberg-Morde bekannt, und/oder haben Sie und/oder er etwas mit ihrer Vertuschung zu tun?«
» Was?«, rief Peiß ungläubig. » Wie können Sie es in Ihrer Position wagen, dem Herrn Minister auch nur…«
Doch Dr. Knettenbrech schnitt ihm das Wort mit einer knappen Geste ab. » Nein, Frau Jäger, weder ich noch Herr Peiß wussten von den Hintergründen der Morde. Dass es in Wirklichkeit überhaupt um eine ganze Mordserie ging und die Opfer nicht nur untereinander, sondern auch mit Wilhelm Schneider verwandt waren, haben erst Sie herausgefunden. Und dafür möchte ich Ihnen gerne gratulieren und Ihnen meine persönliche Bewunderung aussprechen.«
Er hielt ihr die Hand hin– doch sie nahm sie nicht.
» Frau Jäger!«, zischte Peiß empört.
Aber sie blieb eisern.
» Erst die ganze Wahrheit«, forderte sie.
» Jetzt ist es genug!«, knurrte Peiß. » Ich werde Sie…«
» Nein«, sagte Inga Jäger. » Ich werde Sie, und zwar Sie beide umgehend wegen Behinderung im Amt und Verschleierung anzeigen, wenn Sie mir nicht augenblicklich eine plausible Erklärung liefern dafür, dass Sie meine Ermittlungen im Staatsarchiv zu stoppen versucht haben.«
Der Minister zögerte einen Moment, dann nickte er. » Sie haben recht. Ich schulde Ihnen diese Erklärung.«
Peiß stieß einen weiteren ungläubigen Laut aus.
» Wir wussten lediglich von dem furchtbaren Nazi-Verbrechen auf dem Eichberg, von dem Prozess gegen Wilhelm Schneider… und auch von seiner Begnadigung. Zwei der schwärzesten Kapitel der Geschichte des Ministeriums und des Landes. Das sollte nicht an die Öffentlichkeit. Deshalb habe ich Ihnen die Recherche im Staatsarchiv verbieten lassen, damit Sie nicht auf die Gerichtsakten stoßen. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass Ihr Verdacht, die Morde könnten mit den Verbrechen im sogenannten Dritten Reich zusammenhängen, mehr war als eine abstruse und fixe Idee. Mir war nicht bewusst, dass ich selbst damit beinahe die Verfolgung einer Straftat vereitelt hätte. Ich wollte lediglich vermeiden, dass der über fünfzig Jahre zurückliegende Fehler eines meiner Amtsvorgänger das Vertrauen der Öffentlichkeit in die heutige Justiz erschüttert. Ich werde mich diesbezüglich jetzt der Presse stellen und hoffe, dass ich den Schaden, den die Vetternwirtschaft von damals der Demokratie von heute zugefügt hat, begrenzen kann. Vielleicht gelingt es mir sogar, im Amt zu bleiben. Weil, ich würde gerne noch ein paar Jahre mit einer solch fähigen Staatsanwältin wie Ihnen zusammenarbeiten, Frau Jäger.«
Damit hielt er ihr noch
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