Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
aus direkter Nähe gesetzter Schuss in den Hinterkopf, das Herz mit einer großen Klinge herausgeschnitten.«
» Der Tat beschuldigt und verurteilt wurde auch hier der Ehemann«, sagte Inga Jäger und musste sich erst einen Moment lang sammeln, ehe sie weiter zusammenfasste: » Richard Kühne. Er hat sich ein Jahr später in seiner Zelle erhängt.«
» Verdammt«, fluchte Elli und sprach damit aus, was Inga Jäger dachte. » Das ist nicht richtig.«
Gebert sah erstaunt auf. » Wieso? Hast du etwa andere Informationen, Elli?«
» Nein, nein, nein«, winkte sie ab und sah dabei fast verärgert aus. Aber die beiden einsamen Tränen auf ihren runden Wangen verrieten ihre wahren Gefühle. » Es ist einfach nicht richtig. Die Morde sind doch schon schlimm genug. Aber dass dafür dann auch noch Unschuldige bestraft werden…«
Sie sprach nicht weiter und schüttelte den Kopf. Dann ging sie zur Otto, ließ sich auch das Foto von Sophia Kühne geben und scannte es ein, während sie sich mit dem Ärmel ihres Kittels die Tränen wegwischte.
Inga Jäger wartete einige Augenblicke, bis sich Elli wieder gefangen hatte, und nahm dann die letzte Akte zur Hand.
» Zu dem ältesten Fall habe ich leider so gut wie gar nichts gefunden«, sagte sie, » außer dass das Opfer ein zwölfjähriges Mädchen namens Eva war. Aber es gab weder weitreichende Ermittlungen noch ein Verfahren.«
» Das war in den Monaten direkt nach Kriegsende«, sagte Gebert. » Staatsanwaltschaft und Kripo waren damals verständlicherweise unterbesetzt und während der Nachkriegswirren total überfordert. Eva Schneider hieß die Kleine.«
» Auch sie wurde durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet, und das Herz fehlte«, fügte Bianca Busch hinzu. » Wie bei den anderen beiden.«
» Ich habe die am Tatort entdeckte Kugel und ein Foto«, sagte die Otto, erhob sich und übergab beides an Elli, die schon wieder neue Tränen in den Augen hatte.
» Mein Gott«, flüsterte Elli wie zu sich selbst, während sie das Geschoss unter die Kamera legte und den Fokus scharf stellte. » Zwölf Jahre. Wer, zur Hölle, bringt ein zwölfjähriges Mädchen um und schneidet ihm das Herz heraus? Scheiße! Scheiße! Scheiße! Verdammte Scheiße!«
Inga Jäger wäre am liebsten von ihrem Platz aufgestanden und hätte sie in den Arm genommen und getröstet, aber sie war sich ziemlich sicher, dass sie dabei selbst in Tränen ausgebrochen wäre– und das durfte jetzt nicht sein. Später, wenn der Fall geklärt war, ja… aber nicht jetzt.
Sämtliche Augen richteten sich auf den Monitor. Auch diese Kugel stimmte mit den anderen überein.
» Wieder die Luger«, sagte Elli.
Dann nahm sie das Bild des Mädchens und scannte es ein. Sie warf den an den Rechner angeschlossenen Beamer an und projizierte die Bilder aller sechs inzwischen entdeckten Mordopfer auf eine Leinwand auf der Inga Jäger gegenüberliegenden Wand des Raumes.
» Das Alter variiert stark«, sagte die Otto. » Aber vom Typus her ähneln sie sich alle ein wenig.«
» Ja.« Auch Inga Jäger sah die Ähnlichkeit. » Das ist bei Serientätern ein weit verbreitetes Phänomen«, erklärte sie. » Ihre Opfer ähneln nicht selten dem Menschen, den sie mit ihren Taten eigentlich verletzen wollen– der Mutter oder dem Vater, die oder der sie missbraucht hat, oder der Person, an der sie sich für irgendetwas anderes rächen wollen.«
» Gibt es eine Möglichkeit, Elli«, fragte Gebert, » auch noch nach fünfundsechzig Jahren herauszufinden, wem unsere Opfer so ähnlich sahen, dass sie sterben mussten?«
» Die Gesichtserkennungssoftware könnte das grundsätzlich auch mit alten Bildern leisten«, antwortete sie.
» Aber?«
» Es gibt mit ziemlicher Sicherheit zu wenig verfügbares, originales Fotomaterial aus jener Zeit«, sagte sie. » Anders als heute, wo du von fast jedem Menschen der Welt ein Bild im Internet finden kannst. Aber ich werde trotzdem einen Suchlauf starten. Schaden kann es ja schließlich nichts.«
» Ja, machen Sie das bitte«, sagte Inga Jäger. » Vielleicht haben wir ja Glück.«
Dann wandte sie sich an Geberts Assistentin. » Und Sie, Frau Otto, versuchen bitte herauszufinden, ob es zwischen den Opfern irgendwelche Verbindungen gab. Ich reiche in der Zwischenzeit beim Gericht einen Antrag auf Freilassung von Thomas Eser ein, und Sie, Gebert, setzen bitte auch Heiko Reichard wieder auf freien Fuß.«
Gebert zog die Stirn kraus.
» Sie zweifeln noch immer an seiner Unschuld?«, fragte
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