Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
räumte Gebert ein.
Elli meinte: » Immerhin benutzt er oder sie eine Pistole. Damit hält man auch jemanden weitaus Jüngeren und Stärkeren in Schach.«
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Das Archiv der Staatsanwaltschaft Wiesbaden ist so groß, dass es auf insgesamt sechs riesige Kellerräume, verstreut über die ganze Stadt, verteilt ist. Tausende, ja Zehntausende von mit der Hand beschriebenen Boxen in, wenn man sie aneinanderstellen würde, kilometerlangen, vierstöckigen, rostfreien Stahlregalen. Kein Wunder, dass all diese Daten nicht nachträglich in die Computersysteme der Ermittlungsbehörden eingespeist wurden. So sinnvoll das auch wäre, das dafür erforderliche Budget würde jeden Rahmen sprengen.
Weil zwischen den einzelnen Morden jeweils so lange Zeit vergangen war, befanden sich die gesuchten Unterlagen dazu tatsächlich in drei verschiedenen Kellern, und Inga Jäger war den ganzen Vormittag mit Suchen und Quer-durch-die-Stadt-Fahren beschäftigt, während Kommissar Gebert, Elli Falkenstein, Dr. Bianca Busch und die Otto die Archive und Asservatenkammern des LKA , des BKA und des Forensischen Institutes durchforsteten.
Anschließend trafen sie sich in Ellis Labor, um ihre Funde miteinander zu vergleichen.
» Gehen wir chronologisch rückwärts und fangen zunächst mit dem 71er-Fall an«, sagte Inga Jäger und las vor, was sie dazu gefunden hatte. » Name: Anna Gerlach, Jahrgang 1949. Zur Zeit ihrer Ermordung also gerade einmal zweiundzwanzig Jahre alt.«
» Tatort: Der Eichberg über Erbach und Eltville«, fuhr Gebert aus seiner Akte fort. » Genau dort, wo wir auch Sieglinde Reichards Leiche gefunden haben.«
» Aus dem medizinischen Obduktionsbericht der Pathologie«, sagte Bianca Busch mit Blick über den Rand ihrer Nickelbrille hinweg, » geht hervor, dass auch ihr in den Hinterkopf geschossen und ihr anschließend mit einer langen und breiten Klinge das Herz herausgeschnitten wurde.«
» Und hier ist die Kugel, die damals am Tatort gefunden wurde.« Die Otto hielt ein braungelbes und mit der Hand beschriebenes Kuvert aus der Asservatenkammer hoch.
Elli nahm den Umschlag entgegen.
» Das Ergebnis haben wir gleich«, sagte sie und ging hinüber zu ihrem Mikroskoptisch.
Sie holte das Projektil mit einer langen Pinzette hervor, legte es unter eine Vergrößerungskamera und leitete das Bild auf den Monitor, auf dessen rechter Hälfte bereits die Kugel abgebildet war, die Sieglinde Reichard getötet hatte.
Dann drehte sie sie so lange, bis die Perspektive auf beide Geschosse die gleiche war.
Sie sprach aus, was jeder der anwesenden Profis deutlich sehen konnte: » Nicht nur das Kaliber, sondern auch die Riefen und Rillen sind absolut identisch. Beide Kugeln wurden ganz ohne jeden Zweifel aus derselben Waffe abgefeuert.«
» Verhaftet, angeklagt und verurteilt wurde– bereits wenige Wochen nach dem Mord– Bruno Gerlach, der damals sechsundzwanzigjährige Ehemann des Opfers«, ergänzte Inga Jäger aus den Gerichtsunterlagen auf dem Tisch vor ihr.
» Er hat Revision eingelegt, die jedoch abgelehnt wurde, und anschließend eine Haftstrafe von insgesamt achtzehn Jahren abgesessen. Danach hat er nie wieder Fuß gefasst und wurde letzten Endes obdachlos. Im Winter vor drei Jahren ist er unter der Schiersteiner Brücke erfroren.«
Die himmelschreiende Ungerechtigkeit und Sinnlosigkeit, mit der das Leben eines weiteren Unschuldigen zerstört worden war, und die tragischen Umstände seines Todes schlugen ihr beträchtlich auf den Magen.
» Hier ist ein Foto des Opfers«, sagte die Otto, und Elli beeilte sich, es einzuscannen. Es war offensichtlich das Passbild der Toten gewesen.
» Gut. Kommen wir also jetzt zu dem Mord von 1958«, fuhr Inga Jäger fort, und jeder am Tisch legte vor sich die entsprechenden Akten bereit. » Sophia Kühne. Alter dreiundzwanzig.«
» Auch hierzu gibt es ein Projektil«, sagte die Otto und übergab Elli ein weiteres Kuvert.
So wenig es alle Anwesenden glauben wollten, so sicher waren sie sich inzwischen schon im Vorfeld, wie das Ergebnis aussehen würde. Elli platzierte die Kugel unter der Kamera und drehte sie in die entsprechende Position… und gleich darauf bestätigte ein Blick auf den Bildschirm den Verdacht.
» Kaliber, Riefen, Rillen– hundert Prozent Übereinstimmung«, sagte Elli– nur noch der Ordnung halber. » Wieder dieselbe Waffe.«
» Das trifft laut meinen Akten auch auf die Tötungsart und die anschließende Verstümmelung zu«, sagte Bianca Busch. » Ein einziger,
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