Ihr wahrer Name
war nur zu deutlich bewußt, daß ich nicht die Macht dazu hatte. Ich war einfach keine indovina. Ich schaffte ja schon kaum die Ermittlungen.
Steifbeinig stieg ich aus dem Wagen. Es war halb sieben; ich war zu spät dran für meine Verabredung mit Durham. Ich ging die Straße zum Golden Glow hinauf. Man könnte das Lokal meine Stammkneipe nennen, weil ich es seit so vielen Jahren besuche, daß sie dort alles auf eine Rechnung schreiben, die ich dann einmal im Monat begleiche.
Sal Barthele, der das Lokal gehört, begrüßte mich mit einem Lächeln, hatte aber keine Zeit, zu mir zu kommen, denn an der hufeisenförmigen Mahagonitheke, die ich zusammen mit ihr und ihren Brüdern aus einer Villa an der Gold Coast gerettet hatte, als diese zehn Jahre zuvor der Abrißbirne zum Opfer gefallen war, standen jede Menge müde Leute aus den Büros. Auch das halbe Dutzend kleiner Tische mit den Tiffany-Lam-pen war besetzt. Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen, konnte den Alderman aber nirgends entdecken.
Durham kam herein, als Jacqueline, die Kellnerin des Lokals, mit einem vollen Tablett an mir vorbeihastete. Sie reichte mir ein Glas Black Label, ohne ihre Schritte zu verlangsamen, und ging weiter zu einem Tisch, wo sie acht Drinks servierte, ohne einen Blick auf den Bestellzettel zu werfen. Ich nahm einen großen Schluck Scotch, um meine Sorge um Lotty zu betäuben und mich für das Gespräch mit Durham zu rüsten.
Jacqueline sah, daß ich mich zur Tür aufmachte, um Durham zu begrüßen, und deutete auf einen Tisch in der Ecke. Und tatsächlich, ein paar Sekunden später erhoben sich die fünf Frauen, die bis dahin dort gesessen hatten. Als Durham und ich schließlich Platz nahmen, leerte sich das Lokal schlagartig, weil die meisten den Sieben-Uhr-Zug erwischen wollten. Ich hatte mich schon gefragt, ob Durham mit einer Eskorte kommen würde. Jetzt, da nicht mehr so viel los war, sah ich zwei junge Männer mit EYE-Blazern gleich neben der Tür stehen.
»Nun, Detektivin Warshawski? Sie sind also immer noch dabei, afroamerikanische Männer mit allen Verbrechern in Verbindung zu bringen, die Ihnen vor die Nase kommen.« Das war eine Feststellung, keine Frage.
»Da muß ich mich gar nicht besonders anstrengen«, sagte ich mit freundlichem Lächeln. »Man liefert mir diese Nachrichten frei Haus. Colby Sommers zeigt nicht nur allen Leuten sein Geld, sondern erzählt auch Hinz und Kunz, was er gemacht hat, um es zu... nun, ich nenne es ungern >verdienen<, weil das die harte Arbeit herabwürdigt, die die meisten Leute für ihren Lebensunterhalt leisten müssen. Sagen wir lieber >um es einzuschiebend »Nennen Sie es, wie Sie wollen, Ms. Warshawski. Das ändert nichts an Ihren häßlichen Anspielungen.« Als Jacqueline bei uns vorbeikam, bestellte er Maker's Mark mit Schuß. Ich schüttelte den Kopf, denn mehr als einen Whisky trinke ich nicht, wenn ich ein schwieriges Gespräch führe.
»Es heißt, Sie sind clever, Durham. Die Leute sagen, Sie sind der einzige, der dem Bürgermeister in der nächsten Wahl das Wasser reichen kann. Das sehe ich nicht so. Ich weiß, daß Colby Sommers Schmiere gestanden hat, als Anfang der Woche ein paar junge Leute vom EYE-Team in Amy Blounts Apartment eingebrochen sind. Während unserer Unterhaltung am Mittwoch habe ich mir Gedanken über einen anonymen Hinweis auf Isaiah Sommers gemacht, den die Polizei bekommen hat. Jetzt weiß ich, daß Colby Sommers diesen Anruf getätigt hat. Und ich weiß, daß Isaiah und Margaret Sommers an dem Samstag, an dem Fepple noch blutüberströmt in seinem Büro lag, dorthin gefahren sind, und zwar auf Ihre Empfehlung hin. Was ich nicht weiß, ist, was Bertrand Rossy Ihnen bieten könnte, daß Sie sich Hals über Kopf in seine Probleme stürzen.« Durham bedachte mich mit einem freundlichen Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. »Sie wissen nicht viel, Ms. Warshawski, weil Sie die Leute in meinem Bezirk nicht kennen. Es ist kein Geheimnis, daß Colby Sommers seinen Cousin haßt: Das wissen alle in der Eighty-seventh Street. Wenn er wirklich der Polizei gesagt hat, Isaiah habe einen Mord begangen, und wenn er sich mit Kriminellen abgibt, schockiert mich das nicht ganz so sehr wie Sie: Ich weiß um all die Demütigungen und all die Jahrhunderte der Ungerechtigkeit, die schwarze Männer dazu bringen, sich gegen sich selbst oder die eigene Gemeinde zu wenden. Ich bezweifle, daß Sie solche Dinge jemals verstehen werden. Aber wenn Colby versucht hat, seinem
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