Ihr wahrer Name
tat. »Laß uns ins Golden Glow fahren, V.l. Wir haben eine Menge nachzuholen, nicht nur in puncto Lebensversicherungen, sondern auch, was das Leben angeht.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich muß nach Evanston, zu Max Loewenthal. Aber wir können die Sache gern auf ein andermal verschieben.«
Murray beugte sich zu mir herunter und küßte mich auf die Lippen, dann schloß er hastig die Wagentür. Ich sah im Rückspiegel, wie er mir bis zum Ende der Auffahrt nachschaute.
52
Das Gesicht auf dem Foto
Das Beth Israel Hospital lag so nahe am Expressway, daß ich darauf nach Evanston fuhr. Mittlerweile war es nach zehn, aber Max hatte mich gebeten, trotzdem noch zu ihm zu kommen. Er fühlte sich sehr einsam an jenem Abend, weil Calia und Agnes nach London und Michael und Carl zum Rest des Cellini-Ensembles nach San Francisco geflogen waren.
Max bewirtete mich mit kaltem Hähnchen und einem Glas St. Emilion, das mich wärmte und tröstete. Ich erzählte ihm, was ich wußte, was ich erahnte und was am Ende bei der ganzen Geschichte herauskommen würde. Er nahm die Neuigkeiten über Alderman Durham gelassener hin als ich, war aber enttäuscht, daß Posner nichts mit alledem zu tun hatte. »Bist du dir sicher, daß er nicht doch eine Rolle gespielt hat? Kannst du ihm nichts nachweisen, was ihn zwingen würde, vor dem Krankenhaus zu verschwinden?«
»Er ist ein Fanatiker«, sagte ich und ließ mir noch ein Glas Wein einschenken. »Obwohl er als solcher viel gefährlicher sein kann als Leute wie Durham, die das Spielchen aus Machthunger oder Geldgier spielen. Aber wenn es uns gelingt, Lotty und die Bücher von Hoffman zu finden, können wir die Sache mit den Lebensversicherungen, die die Edelweiß und die Nesthorn in den dreißiger Jahren verkauft haben, publik machen und die Legislative von Illinois dazu bringen, den Holocaust Asset Recovery Act neu zu überdenken. Dann gehen Posner und seine Maccabees zurück zur Ajax-Versicherung oder marschieren vor dem State-of-Illinois-Gebäude auf und lassen euch im Krankenhaus eure Ruhe.«
»Lotty und diese Bücher«, sagte Max und drehte dabei sein Weinglas in den Händen. »Victoria, als Calia hier war und ich mir Gedanken um ihre Sicherheit machen mußte, waren meine Sorgen um Lotty noch nicht so groß. Und jetzt, wo Carl wieder auf Tournee ist, begreife ich auch, daß ich mich vor seiner Verachtung geschützt habe. Lottys melodramatische Ader nennt er das Verhalten, das sie in letzter Zeit an den Tag gelegt hat. Wie sie am Donnerstag verschwunden ist - Carl sagt, vor all den Jahren in London war's genauso. Auch damals hat sie sich einfach umgedreht und ist gegangen, ohne ein Wort zu sagen.
Seinerzeit hat sie das ihm angetan, und er meint, ich dürfe mir nicht einbilden, daß sie mir nicht das gleiche antun würde. Sie verschwindet, sagt wochen- oder monatelang nichts, und dann kommt sie wieder, vielleicht aber auch nicht, doch eine Erklärung gibt sie nicht.« »Und was denkst du?« hakte ich nach, als er schwieg.
»Ich denke, daß sie jetzt aus dem gleichen Grund gegangen ist wie damals, wie dieser Grund auch immer aussehen mag«, platzte es aus ihm heraus. »Wenn ich zwanzig wäre wie Carl damals, würde ich mich möglicherweise auch mehr in meinem Stolz verletzt fühlen und mir ansonsten nicht so viel denken. Mit zwanzig ist man einfach stärker seinen Leidenschaften unterworfen. Doch jetzt mache ich mir große Sorgen um sie. Ich möchte wissen, wo sie steckt. Ich habe ihren Bruder Hugo in Montreal angerufen, aber die beiden haben sich nie sonderlich nahegestanden. Er hat schon seit Monaten nichts mehr von ihr gehört und keine Ahnung, was in ihrem Kopf vorgeht oder wohin sie sich verkrochen haben könnte. Victoria, ich weiß, daß du erschöpft bist, das sehe ich an deinem Mund und deinen Augen. Aber könntest du etwas tun, um sie zu finden?«
Wieder massierte ich meine schmerzende Schulter. »Morgen früh fahre ich in die Klinik. Lotty hat Mrs. Coltrain tatsächlich ein Päckchen mit FedEx geschickt - sie hat den Text gerade in den Computer eingegeben, als Fillida Rossy sich auf sie gestürzt hat. Mrs. Coltrain sagt, auf dem Band befindet sich kein Hinweis darauf, wo Lotty ist - es ist ganz kurz und gibt nur Anweisungen für ihren Terminplan. Aber Mrs. Coltrain wird mich morgen vormittag in die Klinik lassen, damit ich es mir selbst anhören und den Umschlag genauer inspizieren kann. Sie hofft, daß es mir gelingt, irgendwelche Schlüsse daraus zu ziehen. Außerdem
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