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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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von meinem Vater geerbt. Er ist vor drei Jahren gestorben, aber das vergesse ich immer. Ich glaube, irgendwann wird auch das Geschäft eingehen. Vertreterbesuche sind noch nie meine Stärke gewesen, und heutzutage gräbt das Internet selbständigen Versicherungsvertretern sowieso das Wasser ab.«
    Als er das Wort »Internet« aussprach, fiel ihm ein, daß sein Computer lief. Bevor sich der Bildschirmschoner einschaltete, sah ich, daß er Solitär gespielt hatte.
    Der Computer war der einzige moderne Einrichtungsgegenstand im Raum. Sein Schreibtisch war gelb und aus schwerem Holz, wie er fünfzig Jahre zuvor modern gewesen wäre, mit zwei Reihen Schubladen und einem Freiraum für die Knie dazwischen. Der Teil der Oberfläche, den ich sehen konnte - das meiste war unter deprimierend hohen Papierstapeln begraben -, war mit schwarzen jahrzehntealten Schmutz-, Kaffee-, Tinte-und weiß Gott welchen anderen Flecken übersät. Im Vergleich zu dem hier wirkte mein eigenes Büro wie eine Mönchszelle.
    Vier große Aktenschränke nahmen den größten Teil des verbliebenen Platzes ein. Als einziger Schmuck hing ein aufgeworfenes Poster der chinesischen Tischtennis-Nationalmannschaft an der Wand. Ein großer Blumentopf baumelte an einer Kette über dem Fenster; die Pflanze darin bestand nur noch aus ein paar vertrockneten Blättern.
    Der Mann straffte die Schultern und versuchte, so etwas wie Energie in seinen Tonfall zu zaubern. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Mein Name ist V.l. Warshawski.« Ich reichte ihm eine meiner Visitenkarten. »Und wie heißen Sie?«
    »Fepple. Howard Fepple.« Er warf einen Blick auf meine Karte. »Ach, die Detektivin. Sie haben mir schon gesagt, daß Sie sich melden würden.«
    Ich sah auf meine Uhr. Ich hatte das Ajax-Gebäude vor nicht viel mehr als einer Stunde verlassen.
    Da hatte es jemand in dem Unternehmen mächtig eilig gehabt.
    »Wer hat Ihnen das gesagt? Bertrand Rossy?«
    »Ich weiß den Namen nicht. Eins der Mädchen aus der Leistungsabteilung.« »Eine der Frauen«, berichtigte ich ihn verärgert.
    »Auch gut. Jedenfalls hat sie mir gesagt, daß Sie sich nach einer unserer alten Policen erkundigen würden. Aber über die kann ich Ihnen nichts mitteilen, weil ich noch auf der High-School war, als sie ausgestellt wurde.«
    »Also haben Sie sich schon damit beschäftigt? Steht in Ihren Unterlagen, an wen sie ausbezahlt worden ist?«
    Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, die Lässigkeit in Person. »Ich glaube nicht, daß Sie das etwas angeht.«
    Ich grinste böse; jeder Gedanke an Charme und Überredungskünste war mit einem Schlag vergessen. »Die Sommers-Familie, die ich vertrete, hat ein Interesse an dieser Sache, das sich möglicherweise durch einen Gerichtsentscheid durchsetzen läßt. Außerdem könnte ich Akteneinsicht beantragen und die Agentur wegen Betrugs verklagen. Vielleicht hat Ihr Vater die Police 1971 an Aaron Sommers ausgestellt, aber jetzt gehört die Agentur Ihnen. Ihr Untergang hätte dann nichts mit dem Internet zu tun.«
    Er verzog seine fleischigen Lippen zu einem Schmollmund. »Nur zu Ihrer Information: Nicht mein Vater hat die Versicherung verkauft, sondern Al Hoffman, ein damaliger Angestellter von ihm.« »Und wo kann ich diesen Mr. Hoffman finden?«
    Er grinste süffisant. »Dort, wo die Toten sich so rumtreiben. Allerdings könnte ich mir vorstellen, daß der gute Al nicht im Himmel gelandet ist. Er war nämlich ein ziemlich übles Schwein. Wie er so erfolgreich sein konnte...« Er zuckte vielsagend mit den Achseln.
    »Sie meinen, anders als Sie hat er sich nicht vor Vertreterbesuchen gefürchtet?«
    »Er war, was wir einen Freitagsmann nennen. Ist am Freitag nachmittag, wenn die Leute ihren Lohn gekriegt haben, immer in die Armeleuteviertel. Ein Großteil unseres Geschäfts besteht aus solchen niedrigen Lebensversicherungen, die gerade reichen, um jemanden ordentlich unter die Erde zu kriegen und hinterher die Familie ein bißchen zu trösten. Mehr hätte sich jemand wie Sommers wahrscheinlich nicht leisten können, zehntausend, obwohl das nach unseren Maßstäben schon eine große Summe ist. Normalerweise haben wir's bloß mit drei-oder viertausend zu tun.«
    »Also hat Hoffman die Beiträge von Aaron Sommers kassiert. Hatte der denn irgendwann den vollen Betrag einbezahlt?«
    Fepple klopfte auf eine Akte ganz oben auf einem Papierstapel. »Ja. Er hat fünfzehn Jahre dazu gebraucht, aber es war alles gezahlt. Die Begünstigten waren seine Frau Gertrude

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