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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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auflauern.«
    »Ich habe gehört, daß die Agentur nicht mehr allzugut lief. Waren die Geschäfte zu Lebzeiten Ihres Mannes besser?«
    »Sie wollen mir doch nicht das gleiche sagen wie die heute morgen, oder? Daß Howie keinen Ausweg mehr gesehen und sich deshalb umgebracht hat? So war der Junge nicht. Der junge Mann. Man vergißt immer, daß sie erwachsen werden.« Sie tupfte sich die Augenwinkel mit einem Papiertaschentuch ab.
    Es war tröstlich zu wissen, daß selbst ein so trauriger Zeitgenosse wie Howard Fepple jemanden hatte, der nach seinem Tod um ihn weinte. »Ma'am, es ist sicher schwer für Sie, jetzt über Ihren Sohn zu sprechen, aber ich würde mich gern mit einer dritten Möglichkeit beschäftigen, die nichts mit Selbstmord oder Einbruch zu tun hat. Hat Ihr Sohn sich mit irgend jemandem gestritten? Hat er Ihnen in letzter Zeit etwas über Probleme mit Kunden erzählt?«
    Sie sah mich verständnislos an: Es fiel ihr nicht leicht, sich in ihrer Trauer mit neuen Gedanken zu beschäftigen. Sie stopfte das Taschentuch in die Tasche der alten gelben Bluse, die sie trug. »Kommen Sie lieber rein.«
    Ich folgte ihr ins Wohnzimmer, wo sie sich auf die Kante eines Sofas setzte, dessen Rosenmuster zu einem matten Rosa ausgebleicht war. Als ich auf einem dazu passenden Sessel im rechten Winkel zu ihr Platz nahm, tanzte der Staub nur so durch die Luft. Das einzige neue Möbelstück in dem Raum, ein brauner Ruhesessel mit Kunstlederbezug, der vor dem großen Fernseher stand, hatte vermutlich Howard gehört.
    »Wie lange hatte Ihr Sohn schon in der Agentur gearbeitet, Mrs. Fepple?«
    Sie drehte an ihrem Ehering. »Howie hat sich nicht sonderlich für das Versicherungswesen interessiert, aber Mr. Fepple hat drauf bestanden, daß er es lernt. Mit Versicherungen kannst du dir deinen Lebensunterhalt immer verdienen, egal, wie schlecht die Zeiten sind, das waren seine Worte. So hat die Agentur die Depression überstanden, das hat er Howie gesagt, aber Howie wollte was Interessanteres machen, wie die Jungs -Männer -, mit denen er zur Schule gegangen ist. Computer, Finanzen, solche Sachen. Doch er hat's nicht geschafft, und als Mr. Fepple dann gestorben ist und ihm die Agentur hinterlassen hat, ist Howie sein Nachfolger geworden. Aber seit der Zeit, als wir damals dort gewohnt haben, ist das Viertel ziemlich runtergekommen. Wir sind schon 59 hier rausgezogen, doch alle Kunden von Mr. Fepple waren in der South Side; er konnte nicht einfach die Agentur verlegen. Da wär's schwierig geworden, sie weiter zu betreuen.« »Dann haben Sie Ihre Jugend also in Hyde Park verbracht?« fragte ich, um das Gespräch in Gang zu halten.
    »Genauer gesagt an der South Shore, gleich südlich von Hyde Park. Nach der High School hab' ich als Sekretärin für Mr. Fepple gearbeitet. Er war ein ganzes Stück älter als ich, aber Sie wissen ja, wie solche Dinge sind, und als dann Howie unterwegs war, tja, da haben wir geheiratet. Es war Mr. Fepples erste Ehe, und wahrscheinlich hat er den Gedanken toll gefunden, daß er einen Jungen bekommen würde, der das Geschäft weiterführt. Sein Vater hatte damals die Agentur gegründet -Sie wissen ja, wie Männer in solchen Dingen sind. Als das Baby dann da war, bin ich daheim geblieben und hab' mich drum gekümmert - damals hat's noch keine Kindergärten gegeben wie heute. Mr. Fepple hat immer gesagt, ich verwöhne den Kleinen; er selber war inzwischen schon fünfzig und hat sich nicht sonderlich für Kinder interessiert.« Ihre Stimme wurde leiser. »Also hat Howard Fepple erst nach dem Tod seines Vaters in der Agentur angefangen?« fragte ich. »Wie hat er das Geschäft gelernt?«
    »Ach, Howie hat immer im Sommer und an den Wochenenden dort gearbeitet und nach dem College insgesamt vier Jahre. Er hat seinen Abschluß in Wirtschaft am Governors State gemacht.
    Aber wie gesagt, das Versicherungswesen war nicht seine große Leidenschaft.«
    Da fiel ihr plötzlich ein, daß sie mir etwas zu trinken anbieten sollte. Ich folgte ihr in die Küche, wo sie für sich selbst eine Cola light aus dem Kühlschrank holte und mir ein Glas Leitungswasser reichte.
    Ich setzte mich an den Küchentisch und schob eine Bananenschale beiseite. »Was ist mit dem Vertreter, der für Ihren Mann gearbeitet hat? Wie hieß er doch gleich? Al Hoffman? Ihr Sohn scheint seine Arbeit bewundert zu haben.« Sie verzog das Gesicht. »Ich habe ihn nie leiden können. Er war so pingelig. Alles mußte genau so sein, wie er es sich

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