Ihr wahrer Name
monatlicher Basis angemietet, oder gab es einen langfristigen Vertrag?« Es hatte sich um eine monatliche Vereinbarung gehandelt. Mrs. Fepple erklärte sich bereit, mir ihren Schlüssel zum Büro ihres Sohnes zu geben, doch der Gedanke daran, daß sie alle Akten bis Ende September zusammengepackt und sich dann mit den unterschiedlichen Gesellschaften in Verbindung gesetzt haben müßte, um die Versicherungsnehmer auf andere Agenturen zu verteilen, ließ sie noch tiefer in ihre gelbe Bluse versinken.
»Keine Ahnung, was ich mir von Ihnen erwartet habe, aber so wie's aussieht, werden Sie seinen Mörder auch nicht finden. Ich muß mich jetzt hinlegen. Die Sache hat mich ziemlich mitgenommen. Man möchte meinen, daß man nur weinen kann, aber ich schaff's bloß noch, die ganze Zeit zu schlafen.«
23
Im Dunkeln ist gut munkeln
Meine lange Fahrt in Richtung Norden zu Morrells Wohnung führte mich durch die westlichen Vororte: kein Zentrum, keine Orientierungspunkte, nichts als endlose Einförmigkeit. Hin und wieder Reihen von Bungalows, manchmal auch wohlhabendere Gebiete, alle jedoch unterbrochen von Einkaufspassagen mit identischen Großkaufhäusern. Als ich zum drittenmal an Bed Bath & Beyond und Barnes & Noble vorbeikam, fürchtete ich schon, im Kreis gefahren zu sein. »Sometimes I feel like a motherless child, a long way from home«, sang ich, während ich in einer langen Schlange darauf wartete, die Gebühr für die Straße entrichten zu dürfen. Ich hatte tatsächlich keine Mutter mehr und war weiter als sechzig Kilometer von Morrells Wohnung entfernt.
Als ich das Kleingeld in den Automaten geworfen hatte, machte ich mich über meine melodramatischen Anwandlungen lustig. Da war die Geschichte von Rhonda Fepple, der Mutter ohne Kind, schon viel trauriger. Es widerspricht den Gesetzen der Natur und beweist, wie machtlos der Mensch letztlich ist, wenn das eigene Kind vor einem stirbt: Davon erholt man sich nie wieder richtig.
Howie Fepples Mutter glaubte nicht, daß ihr Sohn Selbstmord begangen hatte. Natürlich würde das keine Mutter von ihrem Kind annehmen, aber in Fepples Fall gab es einen eindeutigen Grund: Howard war ganz aufgeregt darüber gewesen, daß er endlich verstand, wie Al Hoffman es mit Hilfe seiner Liste geschafft hatte, so viel Geld zu verdienen, daß er sich einen Mercedes leisten konnte -und er würde Rhonda seinerseits einen kaufen.
Ich holte mein Handy heraus, um Dr. Vishnikov, Gerichtsmediziner und Pathologe, anzurufen, doch da löste sich der Stau plötzlich auf. Die Geländewagen rund um mich herum beschleunigten auf hundertdreißig bis hundertvierzig. Der Anruf mußte warten, bis ich mich dadurch nicht mehr in Lebensgefahr brachte.
Die Hunde hechelten über meine Schulter, um mich daran zu erinnern, daß ihr letzter Auslauf schon ein paar Stunden zurücklag. Als ich endlich die Ausfahrt Dempster erreichte, lenkte ich den Wagen zu einem Waldschutzgebiet, wo ich sie herausließ. Es war mittlerweile dunkel, der Park war offiziell geschlossen, und eine Kette hinderte mich daran, mehr als ein paar Meter von der Hauptstraße abzuweichen.
Während Mitch und Peppy sich sofort begeistert auf die Jagd nach Kaninchen machten, blieb ich mit meinem Handy an der Kette stehen und rief zuerst Morrell an, um ihm zu sagen, daß wir nicht viel mehr als zehn Kilometer von ihm entfernt waren. Hinterher versuchte ich es dann noch einmal bei Lotty. Sie habe die Klinik bereits verlassen, erklärte mir ihre Sekretärin Mrs. Coltrain. »Was hatten Sie für einen Eindruck von ihr?«
»Dr. Herschel arbeitet zuviel, sie müßte sich mehr Zeit für sich selbst nehmen.« Mrs. Coltrain kennt mich schon seit Jahren, aber sie klatscht mit niemandem über Lotty, nicht einmal mit Max, wenn der sich über ihre herrische Art lustig macht.
Ich tippte nachdenklich mit dem Finger auf das Telefon. Der beste Ort für eine Aussprache mit Lotty wäre zu Hause gewesen, aber es war Morrells letzter Abend in Chicago. Die Hunde jagten ganz in der Nähe herum. Ich rief ihnen etwas zu, um sie daran zu erinnern, daß ich da war und das Rudel im Griff hatte. Sie kamen angerannt, schnüffelten an meinen Händen und liefen wieder weg. Jetzt erreichte ich Lotty zu Hause.
Sie fiel mir sofort ins Wort, als ich meine Sorge über ihren Zusammenbruch vom Vortag ausdrücken wollte. »Ich würde lieber nicht darüber sprechen, Victoria. Es ist mir peinlich, daß ich mitten in Max' Party für ein solches Durcheinander gesorgt habe, und ich
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