Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
zurecht.
»Die sind aus Rookery House, wissen Sie? Als all die Sachen verkauft wurden und das Haus geräumt wurde. Alles wurde nummeriert und geschätzt, aber bevor der Typ kam, hab ich diese Kissen mit nach Hause genommen – wer sollte schon einen Haufen alter Kissen kaufen? Selbstverständlich habe ich vorher den Nachlassverwalter gefragt«, fügte sie sich rechtfertigend hinzu.
»Als ich ihn fragte, was ich mit diesen Pantoffeln anfangen soll.« Janine streckte einen Fuß aus.
»Mr Behrens, so heißt der Nachlassverwalter, hat gesagt, ich könnte sie ebenfalls behalten, und er wüsste keinen Grund, warum ich mir nicht ein paar Kissen mitnehmen sollte, wenn ich dafür Verwendung hätte. Die Kissen passen gut zu meinem alten Sofa hier.« Und was hast du sonst noch alles mitgenommen?, fragte sich Meredith. Mit oder ohne das Wissen und den Segen des Nachlassverwalters? Spielte es eine Rolle? Es wurde sowieso alles verkauft. Vielleicht hatte Janine geglaubt, ein Recht darauf zu haben, nachdem sie sich so viele Jahre um alles gekümmert hatte. Olivia besaß keine Verwandten. Sie hatte einen Brief erhalten, ein einziges Mal … alles führte hübsch und glatt zu Merediths eigentlichem Grund für den Besuch.
»Eine Schande, wenn jemand so stirbt und ein ganzes Haus geleert werden muss. Ich bin sicher, sie hatte sonst niemanden.«
»Ihr Mann starb im Krieg.«
»Oh, das hat sie Ihnen erzählt?« Janine dachte laut nach.
»Erst, nachdem ich schon eine ganze Zeit lang für sie gearbeitet hab. Sie war niemand, der viel über sich redete. Eines Tages kam ein Brief von einem Mr Smeaton, der offensichtlich zur Familie ihres verstorbenen Mannes gehörte. Damals hat sie mir erzählt, dass ihr Mann im Krieg gestorben wäre und dass sie seither nichts mehr mit seiner Familie zu tun gehabt hätte.«
»Lag sie im Streit mit der Familie ihres Mannes? Oder hatten sie sich einfach auseinander gelebt?«, hakte Meredith scheinheilig nach.
»So etwas passiert schließlich häufig, wenn es keine Kinder gibt.«
»Hat sie nicht gesagt, aber ich schätze, es hat einen Krach gegeben, weil Olivia wegen dieses Briefes wirklich sehr aufgebracht war, das habe ich deutlich gespürt. Ihr Gesicht war totenbleich, bis auf zwei kleine rote Flecken hier oben …« Janine deutete auf ihre Wangen.
»Ich hatte sie noch nie vorher so gesehen. Sie zitterte am ganzen Leib. Ich dachte, sie würde vielleicht einen Anfall erleiden, und ging ihr schnell ein Glas Wasser holen. Sie rief bei Mr Behrens an, der schon damals ihr Anwalt war, und beauftragte ihn, den Brief zu beantworten. Sie wollte den Schreiber nicht sehen. Ich denke, wer auch immer den Brief geschrieben hat, er wollte Olivia besuchen. Ich glaube nicht, dass er je wieder geschrieben hat.«
»Und es gab sonst niemanden … sie hat nichts weiter unternommen, nachdem der Brief gekommen war?« Janines Augen glitzerten in plötzlichem Misstrauen, und sie musterte Meredith scharf. Sie hat mich durchschaut!, dachte Meredith verlegen. Sie hat erraten, dass ich nur hergekommen bin, um sie über Olivia auszufragen.
»Interessiert Sie das?«, fragte Janine kühl.
»In gewisser Weise, ja.« Besser, wenn sie jetzt offen zu Janine war.
»Warum? Stimmt irgendetwas nicht?« Janines ganzes Verhalten war vorsichtig abwartend.
»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Meredith wahrheitsgemäß. Janine leerte ihren Becher und blickte nachdenklich drein. Fast unwillig sagte sie schließlich:
»Sie hat etwas Merkwürdiges getan, nachdem dieser Brief gekommen war. Sie ging durch das ganze Haus und hat sämtliche Schränke und Schubladen durchwühlt, alles. Sie hat eine Menge alter Papiere und so weiter verbrannt. Entrümpeln, nannte sie es. Nicht, dass sie viel zu entrümpeln gehabt hätte. Sie sagte, das hätte sie ihr ganzes Leben lang so gemacht, von Zeit zu Zeit alles entrümpelt. Sie sagte, dass sie es deshalb täte, damit alles seine Ordnung hätte, wenn sie einmal sterben würde.« Alles in Ordnung, sicher! Nicht eine einzige Spur hat sie hinterlassen!
»Und nachdem dieser Brief von Smeaton kam, hat sie wieder einmal entrümpelt?«
»So sah es jedenfalls aus. Sie hat ein paar alte Papiere und ein Foto verbrannt.« Meredith unterdrückte ihre aufkeimende Erregung.
»Ein Foto?«
»Nicht von einer Person«, sagte Janine rasch.
»Ein Foto von einem alten Haus. Es sah ein wenig aus wie Rookery House, tatsächlich. Ich kam ins Zimmer, als sie vor dem Kamin kniete, die Briefe zerriss und ins Feuer warf.
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