Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
Wynne genau das getan hat, als sie damit anfing, Olivia Smeatons Lebenslauf zu aktualisieren. Sie hätte nichts weiter tun müssen, als einen kurzen Absatz an das Ende des existierenden Papiers anzufügen. Ein einziger Satz hätte gereicht. Irgendetwas in der Art von: ›Olivia Smeaton verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens zurückgezogen in Parsloe St. John.‹ Wen interessiert das alles noch, nach so vielen Jahren? Wer hat Wynne gebeten, den Dingen auf den Grund zu gehen und in der Vergangenheit zu stochern? Warum musste sie unbedingt Steine umdrehen und all die kleinen Tierchen aufscheuchen, die es sich darunter gemütlich gemacht hatten? Warum musste sie mich unbedingt mit hineinziehen, oder Sir Basil …? Und wozu das alles? Um herauszufinden, dass wir ein ziemlich großes Tier aufgescheucht haben, darum! Und sein Name lautet Lawrence Smeaton. Ich freue mich ganz bestimmt nicht darauf, ihn zu treffen! Im Gegenteil, ich habe die allerstärksten Bedenken!« Wehmütig fügte er hinzu:
»Und außerdem bin ich im Urlaub!« Ihr dunkler Haarschopf bebte vor Emotionen.
»Willst du denn nicht wissen, wie sie gestorben ist?«
»Ich weiß, wie Olivia Smeaton gestorben ist.«
»Du gibst dich also mit dem zufrieden, was die Gerichtsverhandlung zu Tage gefördert hat? Selbst nach all den anderen merkwürdigen Dingen, die sich in diesem Dorf zugetragen haben?« Markby ging zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern.
»Ich habe gesagt, ich weiß, wie Olivia Smeaton gestorben ist. Ich glaube, in diesem Fall sollten sowohl die Lebenden als auch die Toten in Frieden gelassen werden. Fragen zu stellen und alte Erinnerungen zu wecken, Dinge, die möglicherweise bereits lange vergessen waren, kann nur denen schaden, die noch am Leben sind, und es macht die Toten nicht wieder lebendig. Wir vergessen Dinge nicht einfach, weil wir alt werden. Wir tun es, um uns selbst zu schützen. Frag einen Arzt. Frag irgendjemanden, der schon einmal mit einem Posttrauma zu tun hatte. Nach dem morgigen Tag ist es für niemanden von uns möglich, genauso friedlich zu schlafen wie vorher. Belassen wir es dabei, ja?« Er küsste sie leicht auf den Mund.
»Woher hast du diesen merkwürdigen Pullover?« Sie streckte die Arme nach vorn und betrachtete den Pullover. Er war dunkelblau und hatte ein Strickmotiv, das drei Schweine zeigte.
»Von einem Schlussverkauf.«
»Hast du dich nie gefragt, warum niemand anderes ihn gekauft hat?«
»Jetzt gehe ich ganz bestimmt nicht mehr mit dir essen!«
»Doch, das wirst du. Wir gehen gleich los. Komm schon – wir schauen vorher bei Kevin Berry vorbei. Und danach werden wir den ganzen Abend nicht mehr über die Berrys oder die Smeatons oder sonst irgendetwas auch nur entfernt Mörderisches reden!«
»Auch nicht über meinen schlimmen Pullover?«
»Du würdest wahrscheinlich noch in einem Kartoffelsack wundervoll aussehen«, entgegnete er galant. Sie schnitt eine Grimasse und grinste.
Das Cottage der Berrys war genauso versperrt wie am Nachmittag und nirgendwo ein Lebenszeichen von Kevin zu erhalten. Sie umrundeten das Haus, während Markby sich über den Zustand des Hofs ausließ und wenig schmeichelhafte Bemerkungen über den verstorbenen Ernie und seinen Sohn von sich gab.
»Sieh dir diesen Haufen Abfall an! Nicht nur Schrottautos, sondern alte Mangeln, zwei alte Kinderwagen – die, wie ich im Übrigen von meiner Schwester weiß, inzwischen heiß begehrt sind! –, ein Einkaufswagen von einem Supermarkt und ein …«
Er bückte sich und zog ein großes Steuerruder aus dem Gras.
»Ich wusste gar nicht, dass Ernie zur See gefahren ist? Das hier lässt sich ganz bestimmt zu einem hübschen Preis verkaufen!« Er untersuchte das Ruder.
»Ein richtiger Schrotthaufen, aber Ernie scheint das Zeug nur gehortet und nicht damit gehandelt zu haben.«
»Ich wollte Kevin vorschlagen, einen Teil davon zu verkaufen.« Markby grunzte.
»Es ist ganz richtig, so zu denken. Kevin sollte sich einen anständigen Händler holen, und wenn es nur dem Zweck dient, diesen ganzen Mist wegzuschaffen! Allerdings könnte ich mir denken, dass es einiges wert ist. Ich werde mit Wynne reden. Leinen los, Matrosen!« Er warf das Ruder zurück ins Gras.
»Du solltest erst mal das Innere des Hauses sehen«, sagte Meredith zu ihm.
»Es ist voll gestellt bis unter die Decke mit allem möglichen Zeugs, und alles heruntergekommen. Ernie muss alles nach Hause geschleppt haben, was ihm in die Finger kam, wie eine durchgedrehte
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