Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
jetzt wirklich einen Schluck vertragen!«
Sie kippte den Inhalt des Glases mit einem geübten Schwung hinunter und hielt Markby das leere Glas hin. Markby füllte es entgegenkommend nach.
Merediths Blick ruhte auf den leuchtenden Scheiten des elektrischen Kaminfeuers, das Markby extra eingeschaltet hatte, um den Raum zu erwärmen. Trotz der Hitze, die sich inzwischen entwickelt hatte, erschauerte sie und rieb sich die Arme. Sie hatte sich nicht annähernd so gut von ihrem Schrecken erholt, wie sie Alan und Wynne weismachen wollte. Doch es war eine Tatsache, dass sie sich zusammenreißen musste, und zwar schnell. Alan hatte die einheimische Polizei angerufen, und sie war schnell gekommen und hatte ihre vorläufige Aussage zu Protokoll genommen. Es hatte höchste Verwirrung geherrscht, verschlimmert noch durch die Tatsache, dass praktisch zur gleichen Zeit zwei separate Anrufe eingegangen waren: Beim ersten wurde der Fund von Ernie Berrys Leichnam gemeldet, beim zweiten der Fund des Kopfes des Unglückseligen.
Jetzt warteten sie auf das Eintreffen eines Inspectors von der zuständigen Kriminalpolizei. Es war halb sieben. Die Sonne senkte sich dem Horizont entgegen, und die Arbeit fing gerade erst an.
»Ein Inspector Crane hat seinen Besuch angekündigt«, sagte sie.
»Wir warten auf ihn. Er kommt hierher.«
»Kennen Sie ihn, Alan?«, erkundigte sich Wynne.
»Ich fürchte nicht, nein. Ich bin im überregionalen Hauptquartier, wissen Sie? Wir beschäftigen uns in der Regel nicht mit gewöhnlichen Morden, solange wir nicht darum gebeten werden oder solange die Tat nicht mit etwas in Verbindung steht, das wir sowieso untersuchen.« Wynne blickte ihn untröstlich an.
»Also besteht keine Chance, dass Sie mit der Lösung dieses Falls beauftragt werden?«
»Nicht die geringste, würde ich meinen.« Das Telefon draußen im Flur läutete.
»Bitte entschuldigen Sie mich«, murmelte Markby und ging.
»Meine Liebe«, begann Wynne forsch, nachdem er den Raum verlassen hatte, »während Ihrer Zeit im Konsulat hatten Sie häufiger mit Dingen wie Verletzten oder Todesopfern bei Verkehrsunfällen zu tun, wie Sie sagen. Genau wie ich in meiner aktiven Zeit als Journalistin. Sie wissen also genauso gut wie ich, dass man versuchen muss, so weiterzumachen, als wäre nichts geschehen. Es ist wichtig, beispielsweise zu essen und zu trinken, selbst wenn einem überhaupt nicht danach zumute ist. Eine Schale mit Suppe oder ein paar Sandwiches mit Brotaufstrich, irgendetwas. Haben Sie schon etwas gegessen?«
»Ich habe keinen Hunger, Wynne. Ich brauche jetzt noch nichts zu essen. Mein Magen hat sich noch längst nicht beruhigt, und wenn ich jetzt versuche, etwas herunterzuwürgen, müsste ich mich gleich wieder erbrechen! Ich weiß ja, dass ich etwas essen müsste, weil ich hier gesessen und Alkohol getrunken habe. Ich werde ein wenig Suppe zu mir nehmen, wenn dieser Inspector Crane wieder gegangen ist. Ich hoffe nur, dass ich nicht völlig betrunken bin, bis er hier ist. Ich kann ihm nur sagen, dass ich zufällig über die Koppel gegangen bin und Ernie unter dem Baum gefunden habe. Ich habe überhaupt nichts gesehen.« Merediths Stimme brach. Sie legte die Stirn in Falten, schwieg ein paar Sekunden und fuhr dann fort:
»Ich bin ganz sicher, dass ich sonst nichts gesehen habe. Kein Anzeichen, wie lange er schon dort gelegen hat, aber ich glaube nicht, dass es volle zwei Tage waren.« Sie atmete tief durch.
»Sonst hätten Füchse und Ratten ihn gefunden. Ich habe Krähen gesehen, aber sie hatten gerade erst angefangen … ich bin sicher …«
»Soll sich die Polizei doch selbst darüber den Kopf zerbrechen.« Wynne tätschelte Merediths Hand.
»Ich zermartere mir das Gehirn deswegen. Wynne, Sie wissen mehr über das Dorf als wir. Crombie hat zu Alan gesagt, dass Ernie wahrscheinlich deswegen verschwunden wäre, weil er eine neue Freundin gefunden hätte. Gott weiß, es kommt mir vollkommen unglaublich vor, aber vermutlich ist es möglich. Haben Sie irgendwelches Getratsche gehört? Ernies Namen in Verbindung mit einem anderen?« Wynnes Dutt bebte, und die zahllosen Nadeln begannen sich einmal mehr zu lösen und den Gesetzen der Schwerkraft zu folgen.
»Ich wüsste keinen Namen. Ich höre einen Großteil des Klatsches, sicher. Ich weiß, dass Ernie im ersten Augenblick nicht besonders attraktiv erscheinen mag, aber er hatte einen Ruf als ausgesprochener Schürzenjäger. Selbst wenn Ernie sich mit einer neuen Eroberung gebrüstet
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