Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
kann an nichts anderes mehr
denken und über nichts anderes mehr schreiben. Ziemlich psycho.
Jenny kicherte. »Dann solltest du mal die Gedichte
lesen, die Dan so schreibt.«
Serena runzelte die Stirn. Ehrlich gesagt hätte sie
sehr gern mal Dans Gedichte gelesen. Anscheinend handelten ja einige von ihr.
Sie schob das Buch in ihre Tasche. »Versprichst du
mir, dass du mich nicht verpetzt, wenn ich das Ding nicht zu Ende lese?«,
fragte sie.
»Ich sag nichts«, versprach Jenny. »Aber du darfst ihm
auch nicht verraten, dass ich dir gesagt hab, wie langweilig seine Gedichte
sind.«
»Versprochen.«
Jenny tat, als würde sie in ihrer Tasche kramen, um
einen Blick unter den Tisch zu werfen und zu sehen, was Serena anhatte. Sie
trug wie immer den braunen Faltenrock aus Polyestermischgewebe - die neue
Schuluniform, die eigentlich bloß Loserinnen aus der Siebten anzogen. Aber
Serena sah in dem Rock unwiderstehlich aus. Sie sah in allem unwiderstehlich
aus. »Weißt du eigentlich, dass du die Einzige aus der Oberstufe bist, die den
braunen Rock anzieht?«, fragte Jenny.
Serena zuckte mit den Achseln. »Ich finde ihn ziemlich
cool«, sagte sie. »Marineblau ist ja wohl superätzend, und den grauen Rock zieh
ich nicht an, weil der einem Grau für alle Zeiten verleidet, und ich mag Grau.«
Jenny hatte die graue Uniform an. »Hm, da könnte was
dran sein«, sagte sie. »Ich hab eine graue Hose, die ich nie anziehe.
Vielleicht hat das echt was damit zu tun.« Sie räusperte sich. Eigentlich hätte
sie Serena gern von Nate erzählt.
»Ach so, ich wollte mich noch dafür entschuldigen,
dass ich euch gestern versetzt hab«, sagte Serena. »Ich hab unsere Verabredung
total verschwitzt.«
»Macht gar nichts«, sagte Jenny. »Ich hatte trotzdem
einen total toll...«
»Hey«, sagte Vanessa Abrains, die in diesem Moment vorbeikam.
Sie trug dicke schwarze Strumpfhosen, um ihre Knubbelknie zu kaschieren. »Wie
geht's?«
»Tut mir echt Leid wegen gestern«, entschuldigte sich
Serena noch einmal.
Vanessa winkte ab. »Kein Problem. Ich musste mir die
Filme so oft anschauen, dass ich sie langsam nicht mehr sehen kann.« Speziell
deinen, dachte sie verbittert. Er ist einfach zu scheißgut.
Serena nickte. »Setz dich doch.«
Jenny warf Vanessa einen gereizten Blick zu. Sie
wollte Serena für sich allein haben.
»Geht leider nicht«, sagte Vanessa. »Ah, Jenny, wir
müssen dringend die Filme für den nächsten Rancor entwickeln. Wir haben ungefähr zwanzig Stück und die Dunkelkammer ist gerade
frei. Hast du Bock, mir zu helfen?«
Jenny sah Serena an, die aufgestanden war. »Ich muss
sowieso gehen«, sagte sie. »Ich hab einen Termin bei unserer heiß geliebten
Studienberaterin, Ms Glos. Hip, hip, hurra.«
»Von der komme ich gerade«, erzählte Vanessa. »Pass
bloß auf. Ihre Nase war wieder total blutverkrustet.«
Ms Glos' Gesichtsfarbe tendierte stark ins Gelbliche
und sie neigte zu häufigem Nasenbluten. Die Schülerinnen waren fest davon
überzeugt, dass sie an einer schrecklichen ansteckenden Krankheit litt.
Merkblätter oder Uniprospekte, die sie ihnen mitgab, wurden nur mit
AIDS-Latexhandschuhen angefasst. Entweder das oder man wusch sich nach dem Lesen
die Hände unter sehr heißem Wasser.
»Na, ganz toll.« Serena kicherte. »Bis später, Mädels.«
Vanessa setzte sich zu Jenny an den Tisch.
Die stopfte sich den letzten Rest Banane in den Mund
und wickelte die Schale in eine Papierserviette.
»Können wir?«, fragte Vanessa.
Jenny guckte unbehaglich. »Weißt du, eigentlich passt
es mir jetzt überhaupt nicht. Ich muss noch ein Referat ausdrucken, das ich
gleich in Geschichte halten muss. Tut mir echt Leid.« Sie stand schnell auf.
Vanessa stöhnte. »Na gut«, sagte sie. »Aber gib mir Bescheid,
sobald du Zeit hast, Jenny. Ich brauch echt Hilfe.«
»Okay«, sagte Jenny erleichtert. »Ich melde mich dann
nachher bei dir. Ach ja, und könntest du mich in Zukunft bitte Jennifer nennen?
Das klingt besser als Jenny.«
Vanessa starrte sie an. »Alles klar - Jennifer.«
»Danke.« Jenny rannte davon. Zum Computerraum. Vielleicht
hatte Nate ihr ja gemailt!
Vanessa sah ihr hinterher. Wann hatte Jenny sich in
eine so dämliche Oberzicke verwandelt? Vanessa hatte gehofft, durch die
Freundschaft mit ihr Dan etwas näher zu kommen, aber diese Trulla nervte nur.
Sie war genau wie die anderen sechshundertirgendwas Hühner an der
Constance-Billard- Schule: oberflächlich und eingebildet.
Vanessa konnte den letzten
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