Ihr wisst ja nicht, was Liebe ist
Eltern beim Einzug ins neue Haus geholfen und Geburtstag gehabt und nicht mal richtig gefeiert, sagt er.
Aber jetzt ist er achtzehn und darf allein Auto fahren. Er hat seinen Roller verkauft und einen weiÃen, etwas zerbeulten Kastenwagen gekauft, an dem er ständig herumbastelt. Lippmann/Elektroservice steht auf dem Wagen.
War mal ein Lieferwagen und Leander ist total stolz auf das Teil.
Er will damit auf Europatour gehen.
âVielleicht schon baldâ, sagt er.
âNimmst du mich mit?â, frage ich.
âKlar, immer doch!â Er grinst.
Ob er das ernst meint? Ich weià nicht.
Er ist oft schlecht drauf. In der Schule hatte er viel Stress. Zu Hause auch.
Ich krieg nicht genau raus, warum.
Okay, die Eltern machen ihm Vorwürfe, weil er nicht genug auf seine kleine Schwester aufgepasst hat. Darum hat sie sich beim Rumklettern auf der Baustelle den Fuà gebrochen.
Aber nun ist sie den Gips los und alles ist wieder gut. Trotzdem soll er sich ständig um sie kümmern.
âDiese Zickeâ, schimpft er. âIch versteh nicht, warum meine Alten überhaupt noch mal ein Kind haben mussten! Und dann auch noch so ein verwöhntes, kreischendes Balg!â
âIch finde Klärchen richtig süÃ. Ich hätte gern so eine kleine Schwesterâ, sage ich.
âKannst meine habenâ, grummelt Leander.
âAu ja! Was willst du dafür?â
Wenigstens lacht er jetzt ein bisschen.
âGeschenkt.â
Wir küssen uns.
Dann öffnet Leander die beiden hinteren Türen des Autos. Er hat einen dicken Schaumstoffbelag auf die Ladefläche gelegt, kniet sich drauf und klebt Styropor an die Seitenwände, um sie zu isolieren.
âIch kannâs manchmal nicht mehr aushalten. Früher warâs besser. Wir sind zu dritt mit dem Campingbus verreist. Aber seit die Kleine auf der Welt ist, mag mich hier keiner mehr.â
âAber ich, ich mag dich!â
Ich klettere zu ihm, schlinge meine Arme um ihn, drücke Küsschen auf seinen Nacken und in sein Haar. Er tut mir so, so, so leid, der arme, süÃe Mister Wollschaf.
Aber ihn bedrückt noch was anderes.
Das spüre ich. Hat er Stress im FuÃballverein?
Und da sage ich: âHeute machen wir es.â
Leander guckt mich groà an. âWas â machen?â
âDu weiÃt schon! Mami und Papi bleiben über Nacht weg.â
âUnd ich soll zu dir kommen, weil deine Eltern weg sind?â Leander schüttelt den Kopf.
âHast du Angst allein im Haus?â
âNee, aber ich will mit dir zusammen sein.
Ganz lange, ohne dass du am Lippmann Elektroservice herumschraubst.â
âHeute Abend ist aber Training. Bald geht die nächste Aufstiegsrunde los und ich hab schon zu oft gefehlt. Ich kann heute Abend echt nicht!â
In mir wird es total finster. Alle Freude ist weg.
Da nimmt er mich in die Arme und drückt seine Lippen auf meine. âIch komm nach dem Training. Okay?â
Es klingelt. Ich schrecke zusammen.
Dabei habe ich doch auf Leander gewartet.
Er stellt sein altes Fahrrad ab. Wischt sich den Schweià von der Stirn, hängt den Helm an den Lenker. Sein Vereinsshirt hat dunkle Flecken auf der Brust und unter den Armen.
Er lächelt verspannt.
âRein mit dir!â, sage ich und klinge irgendwie daneben. Wir sind beide nicht cool. Was genau haben wir vor? âWillst du duschen?â
âJa, gern. Ich hab ein frisches Shirt mitgebracht.â Er klingt wie, wie â¦
weià auch nicht.
âHast du was zu trinken für mich?â
âWasser oder Saft?â
âBier.â
Ach so, er ist achtzehn, erwachsen!
Er darf schon lange Bier trinken.
Mein Papa hat eine ganze Kiste Pils im Keller und im Kühlschrank steht eine Flasche, die schön kalt ist. Die öffne ich für Leander.
Er kippt sie durstig runter. Dann duscht er und zieht frische Sachen an.
Wir gehen in mein Zimmer im Erdgeschoss.
âHast du noch eine Flasche?â
Leander fläzt sich auf mein Bett.
âIch nicht, aber mein Pa. Ich weià nicht so recht ⦠Wenn du meinst.â
Leander trinkt diesmal langsamer. Der Duft der Sommergärten weht zur offenen Terrassentür herein. Unser Haus liegt am Hang. Wohnzimmer, Elternschlafzimmer und Küche sind oben.
Unten sollte mal eine Einliegerwohnung sein, die ist aber nie benutzt worden.
Seit vorigem Sommer darf ich hier wohnen mit eigener Dusche und WC .
Leander
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