Ihre Beiden Väter
„Im Krankenhaus war sie nicht so. Die Schwestern sagten, sie sei ein ruhiges Baby und überhaupt nicht quengelig.“
„Sri, sie ist drei Tage alt“, erinnerte ihn Jaime. „Sie ist noch nicht alt genug, um das zu verallgemeinern. Und selbst wenn sie es wäre, der Charakter von Babys entwickelt sich genauso wie bei anderen Menschen. Ihre erste Nacht zu Hause ist möglicherweise ein Teil davon, ja, aber das bedeutet nicht, dass du was falsch gemacht hast. Egal was du für sie entschieden hättest, irgendwann hätte sie das Krankenhaus sowieso verlassen, was bedeutet, sie hätte sich an eine neue Umgebung gewöhnen müssen. Du hast dich richtig entschieden. Es wird nicht immer einfach sein, aber du machst das schon.“
„Du bist dir da so sicher“, staunte Srikkanth.
Jaime zuckte mit der Schulter, nicht ganz sicher, wie er sich ausdrücken sollte. „Babys gehören zu ihren Eltern“, sagte er nach einem Moment. „Ich weiß, wie Adoptionen ablaufen. Ich möchte sicher nicht, dass Kinder in vernachlässigten oder missbräuchlichen Situationen aufwachsen. Aber das hier ist nicht so. Du hast die Mittel, dich um sie zu kümmern und ich sehe, dass du sie jetzt schon liebst. Alles andere ist eine Formsache. Alle Eltern machen Fehler, besonders mit ihrem ersten Baby, weil sie nicht wissen, was sie tun. Die meisten von ihnen sind nur unwissend und das ist nichts, was einen sorgen müsste.“
„Und diejenigen, die es nicht sind?“, fragte Srikkanth nach.
Erneut zuckte Jaime mit der Schulter. „Diejenigen, die am seriösesten sind, sind fast immer nachlässiger, wenn nicht noch schlimmer. Du bist vielleicht unerfahrener als die meisten, aber du bist nicht nachlässig. Wenn dich wirklich irgendetwas beunruhigt, frag mich. Weiß ich es nicht, ruf ich meine Mama an. Sie weiß alles und sie ist näher als deine Mutter.“
„Hat sie ein Mittel für die Kolik?“, fragte Srikkanth mit einem leisen Lachen. „Nachdem ich bei der ja heute kläglich versagt habe.“
„Ob sie das weiß, weiß ich nicht. Schauen wir mal, was wir so nachschlagen können. Wenn wir nichts finden, ruf ich sie an“, schlug Jaime vor.
Srikkanth nickte. Ihm war nicht einmal in den Sinn gekommen, im Internet zu suchen. Er wusste ja nicht, was los war. Doch jetzt, wo das Problem einen Namen hatte, konnte er herausfinden, was er dagegen tun musste. Sein Computer war allerdings in seinem Zimmer und er wollte es nicht riskieren, Sophie aufzuwecken, bevor er wusste, was er für sie tun konnte. „Kann ich deinen Computer benutzen?“
„Natürlich“, rief Jaime aus. „Komm, schauen wir, was wir finden können.“
Sie fuhren Jaimes Laptop hoch und suchten. Eine Stunde später hatten sie eine Liste mit Lösungen, die sie versuchen könnten. Angefangen von Wickeln und mit ihr zu kuscheln, sie von ihrem Weinen mit dem Staubsauger zu erschrecken, oder mit ihr laufen zu gehen, damit sie einen Szenewechsel bekommt. Als sie fertig waren mit Suchen, wachte Sophie auf. Srikkanth bereitete sich auf einen erneuten Anfall wie vorhin vor. Doch sobald er ihr das Fläschchen gab, beruhigte sie sich. Nachdem sie fertig war, lehnte sie sich zufrieden in seine Arme und blickte ihn eulenhaft an. Srikkanth rollte mit den Augen. „Was war das denn?“, fragte er Jaime amüsiert.
„Sie hat dich getestet“, grinste Jaime. „Sie wollte sehen, ob du herausfinden kannst, was du mit ihr tun sollst.“
„Ich denke, darauf hätten wir alle verzichten können“, meinte Srikkanth scherzhaft. „Besonders Nathaniel.“
„Hat er was gesagt?“, fragte Jaime scharf.
„Ja, er hat mich angeschnauzt, als ich gehen wollte.“
„Ich weiß, was du tun kannst“, sagte Jaime empört. „Ignoriere ihn. Du weißt ja, wie er ist und wenn du wegen Sophie nicht so durcheinander gewesen wärst, hättest du seinem Kommentar keinen zweiten Gedanken geschenkt.“
„Ich weiß“, entgegnete Srikkanth, „aber ich war so aufgeregt wegen Sophie und er lebt hier. Wir wussten, dass er einen ruhigen Ort sucht, als er hier eingezogen ist. Deswegen bist du ja nach oben gezogen, so dass er das untere Schlafzimmer haben konnte und weg vom Lärm war.“
„Welcher Name steht auf dem Vertrag?“, wollte er von Srikkanth wissen. „Deiner, nicht seiner. Entweder, er kann damit umgehen oder er sucht sich eine andere Wohnung.“
So einfach war das nicht. Srikkanth war auf die Miete der beiden angewiesen, um die Hypothek für die Wohnung bezahlen zu können. Und besonders jetzt, wo er
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