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Ihre Beiden Väter

Ihre Beiden Väter

Titel: Ihre Beiden Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariel Tachna
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Jaime. „Egal, ob du hier bist oder nicht, sie wird weiter schreien. Mach eine Pause, wenn du wiederkommst, kannst du es weiter versuchen, sie zu beruhigen.“
    Srikkanth zögerte einen Moment länger, aber seine Frustration wuchs immer mehr. Ein kurzer Lauf würde ihm gut tun, wenn auch nur, um seine Geduld zurückzubringen. So hoffte er jedenfalls. Mit einem Seufzer und einem Kuss auf ihre Stirn gab er sie Jaime. Da fing sie noch lauter zu schreien an. Er wollte sie schon wieder an sich nehmen, doch Jaime schüttelte den Kopf. „Ich komm schon klar für fünfzehn oder zwanzig Minuten. Geh kurz joggen.“
    Schnell, bevor Jaime seine Meinung doch noch ändern konnte, zog sich Srikkanth seine Sportklamotten an und lief nach unten. Noch ehe er die Tür erreichte, fing ihn Nathaniel ab.
    „Ich sagte doch, das war eine schlechte Idee“, schnauzte er. „Wie soll ich lernen, wenn sie so schreit?“
    „Ich weiß nicht“, sagte Srikkanth und lief durch die Tür, bevor sein Mitbewohner noch irgendetwas sagen konnte. Er wollte Jaime glauben und darauf vertrauen, dass Sophie zu lieben genug war, um seine Unwissenheit und Unerfahrenheit wieder gut zu machen. Aber Nathaniels Negativität war unmittelbarer, realer. Viel einfacher zu akzeptieren. Offensichtlich konnte er sich nicht um Sophie kümmern, sonst würde sie sich dort oben ja nicht die Seele aus dem Leib schreien. Sie war ein Baby. Sie war noch nicht alt genug, zu schreien, nur um trotzig zu sein. Wenn sie so aufgebracht war, war irgendetwas nicht in Ordnung. In einem regelmäßigen Rhythmus berührten seine Füße den Bürgersteig. Er versuchte, seine Gedanken zu klären und alles zu vergessen, außer der Euphorie seines Laufs. Seine Gedanken konnte er nicht so einfach hinter sich lassen, wie der Klang von Sophies Schreien.
    Die Schwester im Krankenhaus hatte gesagt, sie sei ein fröhliches Baby. Doch schon in ihrer ersten Nacht mit ihm zu Hause war sie untröstlich. Er dachte nicht, dass er irgendetwas getan hatte, um sie so aufzuregen. Aber er konnte einfach nicht anders, als zu vergleichen, wie sie im Krankenhaus war und wie sie jetzt war. Im Krankenhaus hatte er sie zweifellos nicht so quengelig gesehen. Vielleicht vermisste sie ja die Krankenschwestern? Mit ihnen war sie schließlich weitaus länger zusammen gewesen, als mit ihm.
    Trotzdem konnte er sie nicht dorthin zurückbringen. Er hatte sich darauf eingelassen, sie aufzuziehen. Nun musste er das auch durchziehen. Er wünschte sich nur, zu wissen wie. Er könnte seine Mutter anrufen. Dann müsste er allerdings die ganze Situation erklären. Warum er ihnen nicht schon früher von dem Baby erzählt hatte und den ganzen Rest. Irgendwann müsste er es sowieso tun, da er seine Tochter schlecht ihr Leben lang vor ihren Großeltern verheimlichen konnte. Er brauchte nur ein paar Tage, um sich an den Gedanken, Vater zu sein, zu gewöhnen, bevor er es seinen Eltern sagte.
    Srikkanth verkürzte seine übliche Runde und lief nur einmal um den Komplex, statt um die gesamte Nachbarschaft, da er ein schlechtes Gewissen Jaime gegenüber hatte, ihn länger mit seinem Problem alleine zu lassen. Als er zurückkehrte, hielt er an der Treppe inne und bereitete seine Nerven auf Sophies Geschrei vor. Er öffnete die Tür, hörte stattdessen aber nur Stille.
    Stirnrunzelnd stieg er die Treppe nach oben und fragte sich, wohin Jaime Sophie gebracht haben könnte. Als er sein Schlafzimmer erreichte, saß Jaime auf seinem Bett und wiegte sie in seinen Armen. Er hob einen Finger an seine Lippen, um Srikkanth zu sagen, er solle wieder nach unten gehen. Vorsichtig stand er auf, legte Sophie in die Wiege, schlüpfte aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    „Ungefähr fünf Minuten, nachdem du weg warst, ist sie eingeschlafen“, flüsterte Jaime. „Ich denke, sie war erschöpft.“
    „Oder sie mag dich lieber“, sagte Srikkanth bitter.
    Sofort schüttelte Jaime den Kopf. „Das darfst du nicht mal denken.“ Jaime führte Srikkanth in sein Zimmer nebenan, sodass sie reden konnten, ohne Sophie zu stören. „Babys bekommen nun mal Koliken. Manche schlimmer als andere, aber es passiert. Da kannst du nichts anderes tun, außer das, was wir gemacht haben: sie festhalten, bis sie müde wird und einschläft. Ihr beim Schreien zuzuhören macht es nicht einfacher. Aber ich verspreche dir, du hast nichts falsch gemacht.“
    „Ich fühle mich nur so hilflos“, beklagte sich Srikkanth. Dass er weinerlich klang, kümmerte ihn nicht.

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