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Ihre Leidenschaft

Ihre Leidenschaft

Titel: Ihre Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Véronique Olmi
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einträglich.
     
    Und dieser Morgen, ohne ein Wort, ohne Zärtlichkeit, der Morgen vor zehn Tagen war der letzte gewesen. Er würde nicht mehr von einer Frau zur anderen, von einem Haus zum anderen rennen müssen. Hélène hatte verloren, sie beschloss zu verlieren. Ich verdiene schließlich etwas Besseres, hatte sie sich gesagt. Ich verdiene etwas Besseres als eine gestohlene Geschichte, die Krumen einer Liebe, ich verdiene etwas Besseres als diesen Mann, der sich rühmt, mein Liebhaber zu sein, aber nicht mal Zeit für einen Kaffee hat, ich verdiene etwas Besseres als diesen Ehemann, der mich zu sich einlädt, weil seine Frau »sehr mag, was ich mache« und so großmütig ist.
     
    Ich aber bin klein. Ich bin kleinmütig. Ich bin altmodisch. Ich kann nicht zu dritt lieben. Ich bin so klein, ich würde in deine Handfläche passen, du würdest mich überallhin mitnehmen, ohne mich zu verlieren, ich bin winzig, ich brauche nur ganz wenig, wenn du etwas früher aufgestanden wärst, nicht viel, ein paar Minuten, und in die Küche gegangen wärst, dann hätten meine Katzen etwas zu essen verlangt, während du den Kaffee gekocht hättest, und du hättest gegrummelt: »Ihr seid zu dick, sie gibt euch zu viel zu essen«, ich hätte gelächelt, ich hätte dich grummeln gehört und wäre schnell ins Bad gegangen, um mich zurechtzumachen, damit du mich etwas weniger hässlich, etwas weniger müde gesehen hättest am frühen Morgen, das hätte ein paar Minuten gedauert, nur so lange, dass du mich nicht beleidigt, nicht misshandelt hättest. Wenn man Zeit hat, sich fünfmal zu lieben, hat man auch Zeit, einen Kaffee zu kochen, die Katzen zu füttern, zu grummeln und zu sagen: »Guten Morgen, mein Schatz, hast du gut geschlafen, mein Schatz, es war so schön, mein Schatz, ich war überrascht, ich war fröhlich, ich war glücklich, ich war wieder fünfzehn in deinen Armen, es war geradezu mystisch, sag mal, glaubst du nicht, dass wir einen Moment geschwebt sind, lach nicht, einen Moment lang haben wir uns alle beide vom Bett gelöst, es ist blöd, dass du mir nicht glaubst, hier, trink deinen Kaffee, mein Schatz, ich glaube, es wird ein schöner Tag.«
     
    Er würde nicht mehr rennen müssen. Sie behielt ihre gemeinsamen Ekstasen lieber für sich, und er sollte an seinem Platz bleiben. Dort. Erstarrt, dort. In dem Haus, das er nicht bezahlen konnte. Das er nicht verlassen konnte.
    Jetzt erlebte sie eine reglose Liebesgeschichte. »Und bring mir ihr Herz in einem Kästchen!!!« Die böse Königin hatte recht. Das Herz im Kästchen war noch das Sicherste. Aber er hatte gelacht. Und sie spürte ihr Herz zerspringen, das schwarze Blut hervorsprudeln, erschreckendes Wunder. Ein Lachen zwischen Zersetzung und Auferstehung.
     
    »Isaac hat gesagt, dass er für mich seine Frau verlassen würde.« Ihre letzten Worte. Sein erstes Lachen. »Für mich würde er seine Frau verlassen.« Sein letztes Lachen. »Seine Frau für mich.« Für mich. Seine Frau für mich …
    Der Rahmen hing schief. Der winzige Fernseher hing oben in der Zimmerecke. Der Schrank war leer. Ein unvollendetes, verlassenes Puppenhaus … Zuerst hatte der Hoteldirektor Lust gehabt, alles einzurichten, er hatte sich die Farbe der Tapeten, der Vorhänge und des Duschvorhangs überlegt, die ganze Hässlichkeit war in sich stimmig. Und die Novemberkälte in diesem Zimmer war normal. Alles war hervorragend organisiert, die Jagd war eröffnet, die Nacht war schwarz, die jährliche Buchmesse, die Hotelgäste auf der Durchreise, alles war vorgesehen und jeder hatte seinen Platz, jeder wusste, was er zu tun hatte, wann Bücher signieren, wann den Zug nehmen, wann das Zimmer aufräumen, wann zur Jagd gehen, den Frauen anderer Männer Anträge machen und dann nach Hause zurückkehren, »Ich liebe dich« zu seiner Geliebten sagen und die Hausaufgaben der Tochter kontrollieren, »mein Schatz« zu einer Frau sagen und »Wir müssen das Dach reparieren lassen« zu einer anderen. Auf der einen Seite die Liebe, auf der anderen die kleinen Sorgen, die Verpflichtungen, die Mahnbriefe und Bankspesen, ja, die ganze Hässlichkeit war stimmig.
     
    Der letzte Morgen des Geliebten, ehe womöglich andere kommen. Ehe dieser Morgen andere überstürzte Aufbrüche, andere Gleichgültigkeiten nach sich zieht, ehe dieser Morgen zur Gewohnheit wird, sich an alles gewöhnen, alles ertragen, alles. Aber nicht die Einsamkeit.
    Trotzdem hatte sich Hélène gesagt, dass die Einsamkeit immer noch besser war

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