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Ihre Leidenschaft

Ihre Leidenschaft

Titel: Ihre Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Véronique Olmi
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als das. Die zugeknallte Tür. Der Tag, der anbrach, ohne dass sich die Blicke der Liebenden getroffen hätten, ohne dass sich die Farben ihrer Augen ein wenig gemischt, der eine sich dem anderen geöffnet hätte, ehe sie in den hellen Tag hinausgingen, den strahlenden Tag, den wunderbaren Tag, weil man verliebt ist und in der Metro die anderen anlächelt und denkt: Wenn ihr wüsstet, wie schön wir uns in der letzten Nacht geliebt haben, wenn ihr wüsstet, wie glücklich und leicht wir waren, das Leben ist schön, wie kann ich euch nur sagen, wie schön das Leben ist, seid nicht traurig, das Leben ist voll unbekannter Farben, und so geht es weiter, Stunde um Stunde, alles gefällt dir, die vergehende Zeit, das changierende Licht, die Menschen auf der Straße, die einen rennen, die anderen flanieren, alles liebst du, weil dich jede Minute, die vergeht, jede Stunde, die verstreicht, jede Änderung des Lichts dem Geliebten näher bringt, dich sanft zu dem Augenblick trägt, dem heiß ersehnten Augenblick, dem heiligen Augenblick des nächsten Rendezvous.
     
    Kann man in diesem Zimmer ein Rendezvous haben? Kann man so sehr lieben und leiden, dass man die eisige und reglose Anonymität, die durchdachte Hässlichkeit dieses Zimmers nicht mehr sieht? Wie viele Männer und Frauen haben wie oft ihre Medikamente geschluckt, ehe sie in diesem Zimmer einschliefen? Die weißen Pillen, damit die Chemie das Unglück ein wenig auflöst, damit die Wissenschaft der Verzweiflung zu Hilfe kommt, wie viele Männer und Frauen haben wie oft auf dem Bett sitzend die Minibar geöffnet, um das Überleben auf Rezept zu schlucken, über dem Kopf der Fernseher in der Zimmerecke und der schiefe Rahmen?
    Wie spät war es? Wen sollte sie fragen? Es gab keinen Nachtwächter, unmöglich, das Telefon einzuschalten. Angst, die Nachrichten zu lesen. Entsetzliche Vorstellung, es könnte keine geben. Beschließen, dass es für dieses Lachen keine Entschuldigung gibt, dass dieses Lachen die Macht des Bösen ist, keinen Kniefall machen, sondern wachen, die Wachsamkeit und die Demütigung als letzten Schutzwall bewahren.
     
    Und was machte der Mann jetzt, der Mann, der gelacht hatte, der Mann, der nicht mehr von einem Haus zum anderen rennen konnte? Vielleicht trat er in seinem eigenen Zimmer auf der Stelle, im Zimmer von Monsieur … Getrennte Zimmer, gemeinsame Heuchelei.
    Egal, was er machte. Auch wenn es blutete, auch wenn es zuckte, sie behielt das Herz im Kästchen.
     
    Auch sie war von einem Haus zum anderen gerannt, von einer Frau zur anderen, Perpignan Orly, unverzichtbar für beide, eine Tasche voller Geld, die andere schwer von kleinen Kieselsteinen, um den Rückweg zu finden, um zu zählen und abzuzählen. Das war ein Spiel mit ihren Schwestern, man hatte kleine Steine in der geschlossenen Hand, schüttelte sie kräftig und sang: »Eins zwei drei im warmen Sand, wie viele Taler hab ich in der Hand?«, und dann musste der andere die Anzahl der Kieselsteine erraten, die in der Hand versteckt waren, aber der andere verlor jedes Mal, es war unmöglich zu erraten, wie viel Geld man versteckt hält.
     
    Die Cousine hatte einen Safe, der grauer und größer war als die Safes in den Hotelzimmern. In den schamhaft unter einer Blumendecke verborgenen Safe legte sie durchsichtige Plastiksäckchen, in die Plastiksäckchen Schmuck und Geldscheine.
    Hélène wusste nicht, dass Geldscheine so groß und so bunt sein konnten, noch größer und bunter als beim Monopoly. Der Safe stand auf dem Fußboden, und man musste sich hinunterbeugen, um ganz vorsichtig den schwarzen Knopf zu drehen, der dem Geheimcode gehorchte. Danach war es einfach, die Tür ging auf und die Cousine fischte in einem Plastiksäckchen.
    In Paris gab es größere Geldscheine als in Perpignan. Paris ist eine große Stadt. Die Hauptstadt Frankreichs. Auf dem Schulhof fragten die Klassenkameradinnen beeindruckt und neidisch: »Hast du in Paris auch berühmte Leute gesehen?«, und einmal antwortete Hélène: »Ja, ich habe Françoise Hardy gesehen.« Das machte überhaupt keinen Eindruck, und es war eine Lüge. Aber sie mochte Françoise Hardy, sie ähnelte ihrer ältesten Schwester und sang über den Tod ihrer Freundin, der Rose. On est bien peu de choses et mon amie la rose est morte ce matin.
    Hélène hätte nicht sagen können: »In Paris habe ich viel größere Geldscheine gesehen als in Perpignan«, denn sie hatte zu zweifeln begonnen, als sie eines Tages beobachtete, wie der

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