Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
behaupten gern, die Sanktionen wären wirkungslos gewesen. Aber es waren ja eben diese Sanktionen und der politische Druck, die letztlich zu einer Antriebskraft für diejenigen unter Burmas Machthabern wurden, die die Beziehungen zur restlichen Welt trotz allem normalisieren wollten. Meiner Ansicht nach spielten die Sanktionen eine wichtige Rolle für den nun begonnenen Prozess. Waren größere Handelsmöglichkeiten und verstärkte diplomatische Kontakte die Mohrrübe für die Generäle, dann waren Sanktionen und Isolation definitiv die Peitsche, welche diese Mohrrübe so erstrebenswert machte. Wer behauptet, dass sich die Sanktionen sowie Aung San Suu Kyis oft sture Haltung kontraproduktiv ausgewirkt hätten, muss andere Faktoren benennen, die zu demselben Druck sowie derselben Bereitschaft, sich in Richtung Demokratie zu bewegen, hätten führen können. 2012 hoben die USA und die EU die Sanktionen gegen Burma für ein Jahr probeweise auf.
Darüber hinaus ist es ungeheuer wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Entwicklung in Burma ist weder ausschließlich positiv noch irreversibel.
Die demokratische Opposition in Burma hält die Rahmenbedingungen der neuen Konstitution im Grunde genommen für unzureichend. Langfristig ist es nicht möglich, sinnvolle politische Arbeit auf der Grundlage einer Verfassung zu betreiben, die auf die Bewahrung der militärischen Führung des Landes zugeschnitten ist. Das Militär hat das Recht, 25 Prozent der Parlamentssitze zu beanspruchen. In vielen Bereichen sind viele Minister mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und dürfen diese Macht behalten, solange sie behaupten können, die Sicherheit des Landes stehe auf dem Spiel. Auch die ethnischen Minderheiten stehen der neuen Ordnung kritisch gegenüber. Die Verfassung verweigert ihnen die teilstaatliche Unabhängigkeit, die sie sich schon seit den 1940er Jahren wünschen. Das neue Grundgesetz sieht im Gegenteil vor, dass die wichtigsten politischen Fragen von der Zentralregierung gelöst werden.
Viele der Gruppen, die jahrzehntelang Krieg gegen die Junta geführt haben, darunter die Karen, leiteten 2011 Gespräche mit der neuen Regierung ein. Dabei zeigte sich, dass auch die ethnische Frage langsam auf eine Lösung zusteuerte. In mehreren Landesteilen kam es dennoch zu erneuten Kämpfen. Die Kachin National Army ( KNA ) kündigte ihre seit 15 Jahren bestehende Waffenruhe mit der Junta auf. Für die Bevölkerung im Kachin-Staat hatten die Kämpfe zur Folge, dass die Übergriffe der Regierungstruppen in diesem Landesteil ein Ausmaß annahmen, das man seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ebenso ist der Umgang mit der muslimischen Bevölkerungsgruppe im Arakan-Staat Grund für verstärkte Unruhen.
Die Verfassung und die gefälschte Wahl, die zu einer breiten Mehrheit für die Junta-Partei USPD führte, sind letztlich nur Folge der jahrelangen konsequenten Vorgehensweise der Junta. Die Zusammensetzung des Nationalen Konvents 1993 erschien daher nur logisch. Über 20 Jahre nach den großen Demonstrationen von 1988 und Suu Kyis Auftritt auf der politischen Bühne konnte die Junta nun eine maßgeschneiderte politische Lösung präsentieren, die es ihr ermöglichte, die Macht zu behalten und das System äußerlich zu verändern. Eine Lösung, die dazu führte, dass sie Aung San Suu Kyi freilassen und ihr einen Platz im Parlament geben konnten, ohne die grundlegende Ordnung zu gefährden.
Fraglich ist, was geschieht, wenn diese Ordnung ins Wanken gerät. Wird der eingeleitete Veränderungsprozess ein Eigenleben entwickeln, das von den Generälen nicht mehr gebremst werden kann, wenn es an Fahrt aufnimmt? Dann und erst dann werden wir wissen, wie ehrlich die Reformen der letzten Jahre wirklich gemeint waren.
Aber vielleicht meint es die neue Regierung in Burma ja tatsächlich ernst. Vielleicht sehen wir in diesem Moment nur den Beginn einer beständigen Entwicklung. In diesem Fall lässt sich die Bedeutung der Rolle Aung San Suu Kyis für die Ermöglichung dieser Entwicklung gar nicht hoch genug einschätzen. Zu Beginn des neuen Jahrtausends gab es Gruppen von Diplomaten und Regierungen, sogar im Westen, die Suu Kyis Rolle für ausgespielt hielten. Sie glaubten, der einzig realistische Weg zu Veränderungen in Burma bestünde darin, den Fahrplan zur Demokratie zu akzeptieren, den die Junta bereits während Aung San Suu Kyis erstem Hausarrest vorgestellt hatte. Aber alle möglichen Zweifel an ihrer Bedeutung für Burma
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