Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
an Aung San Suu Kyi ist, dass sie trotz aller Einwände immer daran geglaubt hat, dass Zusammenarbeit und Dialog – und nicht Gewalt – eine funktionierende Methode darstellen. Ihr persönlicher Hintergrund ist ein Paradebeispiel für die Debatte über Menschenrechte, wie sie seit dem Fall der Berliner Mauer geführt wird. Mit beiden Füßen steht sie in der Tradition des antikolonialen Kampfes und ist von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, der Anti-Apartheidbewegung sowie Gandhis Theorien über zivilen Widerstand geprägt. Sie hat für die UN gearbeitet und die Bedeutung dieser Weltorganisation immer unterstrichen. Trotz der offensichtlichen Defizite der UN und trotz des Unvermögens der internationalen Gemeinschaft, das Regime in Burma zu beeinflussen, weiß Aung San Suu Kyi, dass nur politische und diplomatische Wege beschritten werden können. Und sie weiß, dass dabei viel Zeit vergehen kann. Oft hat sie Burma mit Südafrika verglichen. 30 Jahre vergingen bis zur Abschaffung der Apartheid. Lange Jahre schien das System völlig undurchdringlich. Aber letztlich kam der Wandel.
In einem Interview mit der
Vogue
im Jahr 1995 – nach dem ersten Hausarrest – wurde sie gefragt, wie viele Jahre sie zu opfern bereit sei, um die Demokratie in Burma einzuführen. »Es kann lange dauern«, erwiderte sie. »Sogar mein ganzes Leben.«
Bei der Arbeit an diesem Buch haben mich viele gefragt, wie Aung San Suu Kyi dieses große persönliche Opfer eigentlich bewältigen kann. Warum bleibt sie in Burma? Schon vor über 20 Jahren wurde sie zum ersten Mal unter Hausarrest gestellt. Man muss sich fragen, was man selbst im Sommer 1989 getan hat und wie viel Zeit seitdem vergangen ist.
Ich glaube, dass diese Frage in gewisser Weise falsch gestellt ist, weil sie davon ausgeht, dass Aung San Suu Kyis Opfer einzigartig ist. Tatsächlich ist die Geschichte jedoch voller Menschen, die große persönliche Opfer für eine noch größere Sache erbracht haben. Die Widerstandsbewegung im Zweiten Weltkrieg, die Gewerkschaftsaktivisten in Lateinamerika, die Unabhängigkeitsbewegungen in den ehemaligen Kolonien, die politischen Dissidenten in China – ja Flüchtlinge auf der ganzen Welt. Der Unterschied besteht womöglich darin, dass solche großen Opfer mehr Aufmerksamkeit erregen, wenn sie von Männern erbracht werden.
In einem Interview mit Alan Clements Mitte der 1990er Jahre sagte Aung San Suu Kyi, der größte Unterschied zwischen ihrem Vater und ihr selbst sei das Verantwortungsgefühl. Aung San hatte schon als junger Mensch erkannt, dass er eine Aufgabe hatte, die seine eigene Person überragte. Den Rest seines Lebens verwandte er darauf, diesem Ruf, den er glaubte vernommen zu haben, gerecht zu werden und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Er opferte sich buchstäblich selbst für eine größere Sache. Aung San Suu Kyi hingegen verspürte als junger Mensch niemals diesen »Ruf« zu größeren Aufgaben. Das Verantwortungsgefühl hatte sich erst sukzessiv bei ihr eingestellt, und im Laufe der 1980er Jahre verspürte sie oft eine große Rastlosigkeit. Sie »suchte nach einer Aufgabe«. Deswegen war sie zur Stelle, als die Demokratiebewegung sie brauchte. Deswegen verließ sie die »kleine« Welt und wagte den Schritt in die »große«.
Die Mitglieder ihrer Familie waren schon früher zeitweise voneinander getrennt gewesen. Nichts deutete darauf hin, dass der Hausarrest fast zwei Jahrzehnte andauern sollte. Aber da sie die Junta herausgefordert hatte, da sie gefordert hatte, ins Gefängnis geworfen zu werden, da sie sich weigerte, das Land zu verlassen, war ein Rückzug unmöglich geworden. Sie konnte nicht an einem Tag die Junta herausfordern und am nächsten zurück nach England fliegen. Denn das hätte auf einen Schlag einen Großteil ihres politischen Kapitals in Burma ruiniert, selbst wenn sie eine wichtige internationale Stimme geblieben wäre. Solch ein Verhalten hätte sich zudem nicht mit ihren Werten und ihrer prinzipientreuen Grundhaltung vereinbaren lassen.
»Ich vermisste natürlich meine Familie, besonders meine Söhne«, sagte sie nach dem ersten, sechs Jahre währenden Hausarrest. »Aber ich fühlte mich nie vom Leben abgeschnitten. Im Grunde genommen habe ich den Hausarrest als einen Teil meiner Arbeit betrachtet – ich habe einfach meinen Job gemacht.«
Ihre Familie, die beiden Söhne und die Ehe mit Michael Aris sind immer ein wichtiger Bestandteil in der Bewertung ihres Lebens und ihrer politischen
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