Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
von Soldaten um sich versammelt. Eine halbe Stunde bevor die Kabinettssitzung im Sekretariat beginnen sollte, setzten sie sich in einen Wagen, der sie ins Stadtzentrum brachte. Der Gedanke an Rache hatte sich bei U Saw bereits gebildet, als Gouverneur Rance Aung San und der AFPFL die Mehrheit in der Interimsregierung überlassen hatte. U Saw betrachtete sich selbst als rechtmäßigen Anführer der nationalistischen Bewegung. Er war älter und hatte mehr Erfahrung als der Grünschnabel Aung San. Er missbilligte Aung Sans linksorientierte Ansichten und hasste die Tatsache, dass es seinem Widersacher so leicht gefallen war, das Vertrauen der Briten zu gewinnen. Ein paar Monate zuvor war ein Mordanschlag auf ihn verübt worden, und obwohl dies von niemandem bestätigt werden konnte, war er sicher, das Aung San dahintersteckte.
Der Wagen mit den bewaffneten Männern fuhr schnell durch das chaotische Straßenwirrwarr Ranguns in Richtung Süden. Sie passierten Straßenmärkte, Pagoden, englische Automobile und Ochsenkarren aus den nahe gelegenen Dörfern. Niemand hielt sie auf, als sie in den Hof des Sekretariats fuhren, und völlig problemlos konnten sie in den zweiten Stock vordringen, wo die Regierung sich gerade zusammengefunden hatte. Sie erschossen einen vor dem Konferenzraum postierten Wächter und rissen die Tür auf. Aung San war bereits nach dem ersten Schuss aufgestanden und wurde von 13 Kugel getroffen, als die Soldaten das Feuer eröffneten. Weitere sechs Minister wurden getötet, darunter Mahn Ba Khaing und Hsam Htun sowie Aung Sans Bruder, U Ba Win. Später stellte sich heraus, dass eine Reihe britischer Offiziere die Waffen für das Attentat besorgt hatten. Ihre Beteiligung wurde jedoch nie eindeutig geklärt, und U Saw musste die alleinige Schuld für den Mord auf sich nehmen.
Einer der wichtigsten Volksvertreter Südostasiens war tot. Aung San wurde 32 Jahre alt. Er starb um 10.37 Uhr am 19. Juli 1947. Noch heute wird dieses Ereignis als Tag der Märtyrer in Burma feierlich begangen. Er hatte eine bemerkenswerte Reise von den staubigen Straßen seines Geburtsorts Natmauk bis hin zur Universität und dem Kampf für die Souveränität des Landes gemacht. Auch seine asozialen Züge hatte er überwunden; aus dem Sonderling war ein Nationalheld geworden.
»Er war ein Intellektueller mit Instinkt«, sagte Professor Khynt Maung von der Universität Rangun viele Jahre später in einem Interview mit Angelene Naw, »und konnte gleichzeitig vollkommen undiszipliniert sein. Ich kannte ihn gut und kannte auch viele, die mit ihm gearbeitet haben. Einige betonen, er sei äußerst unverschämt und unvorhersehbar gewesen. Aber er war eindeutig auch ein Genie, und so akzeptierten die Menschen seine eigentümlichen Züge.«
Wir können unmöglich wissen, wie Aung San die Schwierigkeiten bewältigt hätte, denen Burma in den 1950er Jahren ausgesetzt war. Der Bürgerkrieg brach nur wenige Monate nach der formalen Souveränität im Januar 1948 aus. Die Karen griffen zu den Waffen, ebenso die Kommunisten. Im Laufe der 1950er Jahre brach die Union Burma mehr und mehr in sich zusammen. Vielleicht wäre Aung San mit seinem starken Siegerinstinkt und seiner Souveränität-um-jeden-Preis-Mentalität genauso brutal und gewalttätig gewesen wie die Generäle, die später an die Macht kamen. Mit seinem diplomatischen Geschick und seinem Vertrauensverhältnis zu den ethnischen Minderheiten hätte er aber genauso gut den Zusammenbruch des Landes verhindern können. Diese Meinung kann man im heutigen Burma oft hören; dass der Mord im Sekretariat ein Todesurteil für das demokratische Versprechen bedeutete, welches die Souveränität und die neue Verfassung beinhalteten.
U Saws Traum, der erste Premierminister des Landes zu werden, zerschlug sich gleich am Nachmittag desselben Tages. Er wurde festgenommen, wegen Hochverrat und Mord zum Tode verurteilt und im Mai 1948 hingerichtet.
An seiner Stelle übernahm U Nu die Rolle des Premierministers. Während der gesamten Studienzeit war er Aung San gefolgt, von der Thakin-Bewegung bis hin zum Krieg. Als die Souveränität in greifbare Nähe rückte, zog er sich jedoch in ein Kloster zurück. Er war ein kluger Anführer, nachdenklich und vernünftig, und war stellvertretender Leiter der AFPFL gewesen. Jedoch war er auch ein Kompromisskandidat und keineswegs die vereinende Kraft, die das Land so dringend brauchte, als es zwischen Stabilität und Chaos abwägen musste. U Nu hatte nicht
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