Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
die Wimpern zu mir auf. »Was wünschst du von mir, mein Gemahl?«
    Ich musste zweimal ansetzen, bevor ich etwas herausbrachte. Schließlich sagte ich mit Paris’ Stimme: »Komm ins Bett.«
     

19
Golden Gate bei Machu Picchu
    Sie wanderten auf der Golden-Gate-Brücke von einer grünen Kugel zur anderen, stiegen stehende Rolltreppen hinunter und gingen von grünem Glas umschlossene Verbindungsstege zwischen den gewaltigen Kabeln entlang, die die Fahrbahn tief unten trugen. Odysseus begleitete sie.
    »Bist du wirklich der Odysseus aus dem Turin-Drama?«, fragte Hannah.
    »Ich habe das Turin-Drama nie gesehen«, sagte der Mann.
    Ada bemerkte, dass der Mann, der sich Odysseus nannte, die Frage weder bejaht noch verneint, sondern nur umgangen hatte.
    »Wie bist du hierher gekommen?«, fragte Harman. »Und woher kommst du?«
    »Die Antwort ist kompliziert«, sagte Odysseus. »Ich bin nun schon einige Zeit auf Reisen; ich suche den Weg nach Hause. Dies hier ist nur ein kurzer Zwischenaufenthalt, ein Rastplatz. In ein paar Wochen breche ich wieder auf. Ich würde es vorziehen, euch meine Geschichte später zu erzählen, wenn ihr nichts dagegen habt. Vielleicht heute Abend beim Essen. Möglicherweise kann Savi Uhr mir helfen, einige Teile meiner Geschichte verständlich zu machen.«
    Ada fand es sehr seltsam, jemanden das allgemein gebräuchliche Englisch sprechen zu hören, als wäre es nicht seine Muttersprache; sie hatte noch nie einen Akzent gehört. In Adas auf dem Fax gegründeter Welt, in der jeder überall – und nirgends – lebte, gab es nicht einmal regionale Dialekte.
    Die sechs kamen auf der Spitze des Turms heraus, auf dem Savi zuvor mit dem Sonie gelandet war. Die Sonne streifte gerade den Rand des südlicheren der beiden steilen Gipfel, an denen die Brücke verankert war. Der Westwind wehte stark und war kalt. Sie gingen zum Geländer am Rand der Plattform und schauten auf den sanft abfallenden, grasbewachsenen Sattel mit seinen terrassenförmigen Ruinen über zweihundertfünfzig Meter unter ihnen hinab.
    »Als ich vor drei Wochen zum letzten Mal zur Golden Gate kam«, sagte Savi, »lag Odysseus in einem der kryotemporalen Sarkophage, in denen ich normalerweise schlafe. Wegen seiner Ankunft – und ihrer Bedeutung – habe ich schließlich Kontakt zu euch aufgenommen; darum habe ich auch die Hinweise an dem Felsen im Trockental hinterlassen.«
    Ada, Harman, Hannah und Daeman starrten die alte Frau an. Offenbar verstanden sie weder die Begriffe noch die wahre Bedeutung ihrer Worte. Savi gab ihnen keine Erklärung. Die vier warteten darauf, dass Odysseus etwas sagte, das Licht in die Sache brachte.
    »Was gibt es zum Abendessen?«, fragte Odysseus.
    »Dasselbe wie immer«, sagte Savi.
    Der bärtige Mann schüttelte den Kopf. »Nein.« Er zeigte mit einem kurzen, dicken Finger auf Harman und dann auf Daeman. »Ihr beide. Es wird erst in einer Stunde richtig dunkel. Die Abenddämmerung ist eine gute Zeit für die Jagd. Kommt ihr mit?«
    »Nein!«, sagte Daeman.
    »Ja«, sagte Harman.
    »Ich möchte mitkommen.« Es überraschte Ada, wie eindringlich ihre Stimme klang. »Bitte.«
    Odysseus sah sie einen langen Moment an. »Gut«, sagte er schließlich.
    »Ich sollte mich wohl ebenfalls anschließen«, meinte Savi. Ihre Stimme klang unschlüssig.
    »Ich kann mit deiner Maschine umgehen«, sagte Odysseus mit einer Kopfbewegung zum Sonie.
    »Ich weiß, aber …« Savi berührte die schwarze Waffe in ihrem Gürtel.
    »Nicht nötig«, sagte Odysseus. »Ich will nur etwas zu essen beschaffen, aber keinen Krieg anfangen. Dort unten gibt es keine Voynixe.«
    Savi war immer noch nicht überzeugt.
    Odysseus sah Ada und Harman an. »Wartet hier. Ich hole nur rasch meinen Speer und meinen Schild.«
    Harman lachte. Dann wurde ihm klar, dass der Mann mit der gewölbten Brust und dem hellen Kittel nicht scherzte.
     
    Odysseus konnte das Sonie tatsächlich fliegen. Sie hoben von der Turmspitze ab, umkreisten den hohen Sattel mit den Ruinen, die im Licht der tief stehenden Sonne komplizierte Schatten warfen, und stießen mit hoher Geschwindigkeit in ein Tal hinab.
    »Ich dachte, du wolltest unter der Brücke jagen«, sagte Harman über dem Zischen des Windes.
    Odysseus schüttelte den Kopf. Ada bemerkte, dass ihm die silbernen Haare wie eine lockige Mähne in den Nacken fielen. »Hier gibt es nur Jaguare, Eichhörnchen und Gespenster«, sagte er. »Wir müssen auf die Ebene hinaus, um Wild zu finden. Und ich habe da eine ganz

Weitere Kostenlose Bücher